Besuch aus Nicaragua: „Mehr Hunde als Kinder“

■ Seit nunmehr vier Jahren pflegen Leon und Hamburg einen erfolgreichen Jugendaustausch

„Hier gibt es ja mehr Hunde als Kinder“, staunt Juana Isabel Juarez, als sie das Plateau der S-Bahn-Landungsbrücken betritt. Juana lernt Hamburg kennen: den HVV, das Schulsystem und nicht zuletzt hanseatische PolitikerInnen. Sie gehört zu einer zehnköpfigen Gruppe aus Nicaragua, die noch bis zum 5. August im Rahmen der Städteparnterschaft Hamburg - Leon einen fünfwöchigen Jugendaustausch erlebt.

Die 21jährige Schülerin ist ganz begeistert von Hamburg. Besonders der Begrüßungsempfang bei Senator Thomas Mirow hat Juana gefallen: „Das Ambiente im Rathaus war schön. Und solche Treffen sind auch wichtig, um die Kontakte zu stärken.“ Denn um Kontakte zwischen Jugendlichen geht es den beiden Jugendorganisationen Juventud Sandinista aus Leon und der Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände (AGfJ). Seit 1991 besuchen sich wechselseitig Jugendliche aus Hamburg und Leon, „um die jeweilige Wirklichkeit kennenzulernen“, wie Manuel Tellez, Leiter der nicaraguanischen Gruppe, das Ziel des Austauschs beschreibt.

Die jungen „Nicas“ sind in Hamburger Schulen gegangen, um den SchülerInnen „die Situation, in der wir leben, näherzubringen“, erzählt Juana. Am meisten habe sie hier das große Interesse beeindruckt, das die SchülerInnen ihren Problemen entgegenbringen. Das größte Problem in Nicaragua ist die Arbeitslosigkeit - 60 Prozent sind von ihr betroffen. Auch die Unterschiede im Schulsystem seien frappierend: „Die Gebäude, die Infrastruktur - alles ist viel besser als bei uns, auch die Qualität der Lehrer“, konstatiert Juana. In Nicaragua haben 70 Prozent der LehrerInnen keine Berufsausbildung. Außerdem muß Schulgeld gezahlt werden.

Juana möchte nach ihrem Schulabschluß, der etwa dem deutschen Fachabitur entspricht, noch weiter zur Schule gehen, denn „meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind gleich Null“, meint sie. „In den nächsten Jahren sollen 16.000 Stellen in der Verwaltung eingespart werden, und die Jugendlichen, die wir in Leon betreuen, verdienen sich das Geld für ihre Ausbildung nebenbei. Prostitution, Kriminalität und Gewalt auf den Straßen nehmen zu“, beklagt sich Tellez bitter.

Doch den Gästen aus Nicaragua ist keine Verbitterung anzumerken - in ihrer Unterkunft, der Jugendherberge am Stintfang, feierten sie am Dienstag abend fröhlich und ausgelassen eine Fiesta zum 15. Jahrestag der sandinistischen Revolution mit eigenen Show- und Tanzeinlagen.

Die Frage, ob sie Ausländerfeindlichkeit, beispielsweise Anmachen in der U-Bahn, in Hamburg erfahren hätten, können die Jugendlichen nur verneinen. „Wir waren auch nachts auf abgelegenen Plätzen allein unterwegs, uns ist nichts passiert“, gibt Tellez Auskunft. Aber trotzdem meint er, daß der Rassismus zunehmen könne, aufgrund bestimmter Parteien. Auf Nachfrage, welche Partei er denn meine, sagt er: „Na, die CDU mit ihrem Ausländergesetz“.

Tammo Löffler