: Wahnsinn aus Britannien frisch auf den Tisch
■ Deutsches Schlachtverbot für britische Rinder soll aufgehoben werden
Berlin (taz) – Die Deutschen legten sich in Brüssel schwer ins Zeug. Gesundheitsminister Seehofer sprach sogar von einem „Sieg der Vernunft“: Die Agrarminister der EU hatten sich am Montag abend auf gewisse Beschränkungen für den Handel mit britischem Rindfleisch geeinigt. Aber im Landwirtschaftsministerium war man zu dieser Zeit schon längst weiter. Wie das Landwirtschaftsministerium gestern bestätigte, hatte man in aller Stille einen Weg gefunden, wie man das Schlachtverbot für diejenigen Rinder aus britischen Ställen aufheben könnte, die nicht erst importiert werden müssen, sondern schon auf deutschen Weiden stehen. Lebend.
Noch Anfang Juni hatte das Ministerium verboten, diese Tiere zu schlachten, weil nicht auszuschließen sei, daß auch sie den BSE-Virus des Rinderwahnsinns in sich tragen könnten. Diesen Verdacht aber, fanden die Ministerialbeamten, könnten die Briten wohl am besten selbst aus der Welt schaffen. Es müsse genügen, wenn britische Amtstierärzte den deutschen Landwirten schriftlich bescheinigen, daß ihre Tiere nie in einem BSE-verseuchten Stall gestanden haben und nie mit Tierkörpermehl gefüttert wurden. Damit wird der Bock zum Gärtner befördert, denn britische Mediziner bestreiten seit je, daß von dem BSE-Erreger irgendeine Gefahr für Menschen ausgehe.
Für die Kälber britischer Rinder soll das Schlachtverbot sogar ohne diese Amtshilfe aus dem Königreich Ihrer Majestät aufgehoben werden. Der Leiter der Abteilung „Tierseuchenbekämpfung“ im Bonner Landwirtschaftsministerium, Werner Zwingmann, rechnete nach: Von den etwa 5.000 britischen Rindviechern könnten mit dieser Methode 4.000 in den Kühltruhen der Lebensmittelläden entsorgt werden. Ein weit besseres Geschäft als der Vorschlag des Präsidenten des Deutschen Fleischerverbandes, Albert Pröller, der in der „Panorama“-Sendung gestern abend forderte, alle britischen Rinder auf deutschen Weiden zu töten und möglichst bald zu verbrennen, „damit sie nicht in die Nahrungsmittelkette von Mensch und Tier kommen können“. Die deutschen Landwirtschaftsminister haben diesen Ratschlag verworfen. Ihrer Rechtsmeinung nach fällt der Rinderwahnsinn gar nicht unter das deutsche Seuchengesetz. Ralf Sotscheck, Niklaus Hablützel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen