: „Da bricht schon mal der Rahmen“
■ In der Altonaer Fahrradwerkstatt „Zweirad und Zukunft“ lernen 18 Jugendliche, wie man Räder baut
Es klopft, kreischt und dröhnt. In der Fahrradkulturwerkstatt in der Altonaer Gaußstraße herrscht ein steter Lärmpegel, und sechs Jugendliche sind fleißig bei der Arbeit. Doch dieselben Auszubildenden hätten keine Beschäftigung, gäbe es die überbetriebliche Werkstatt Zweirad und Zukunft (Z&Z) sowie das Ausbildungsprogramm für benachteiligte Jugendliche vom Arbeitsamt nicht.
Benachteiligt ist man ziemlich schnell auf dem deutschen Ausbildungsmarkt. „Nämlich dann“, so erklärt Gerhard Stein, Abschnittsleiter für Berufsberatung beim Berufs- und Informationszentrum (BIZ) am Nagelsweg, „wenn man seinen Hauptschulabschluß nicht regulär, also an einer Hauptschule erworben hat, sondern in einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder bei der Volkshochschule“. Findet der Jugendliche schließlich auf dem freien Markt keinen Ausbildungsplatz, wird er bei „freiwilliger Inanspruchnahme“, also wenn er's auch will, in die außerbetriebliche Ausbildungsmaßnahme vermittelt.
Bei Z&Z lernen 18 Azubis zur Zeit den Beruf Zweiradmechaniker. Seit über zehn Jahren bilden drei Männer und eine Frau in diesem Projekt aus, alle sind selbst mehrfach qualifiziert. Beim Schweißen müht sich gerade Bernd Bleckmann ab, der nicht nur Meister im Metallbau ist, sondern auch ein Ingenieurstudium hinter sich hat und dazu als Pädagoge ausgebildet ist.
Drei Jahre dauert die praxisorientierte Ausbildung bei Zweirad und Zukunft, am Ende können die Jugendlichen den Gesellenbrief erwerben. „Im ersten Lehrjahr bekommen die Jugendlichen erst einmal eine umfassende Metallgrundausbildung“, erklärt Bernd Bleckmann das Konzept. Da heißt es zunächst Schweißen, Löten, Feilen und Nieten lernen. Doch schon nach ein paar Wochen beginnt die erste Projektphase. Die jungen Auszubildenden sollen ein Liegerad entwerfen und bauen. „Dabei machen wir nur die Vorgaben, wesentliche Planungsschritte sollen die Azubis selber entwickeln“, betont Bleckmann. Da kann es auch schon mal vorkommen, daß beim Fahren ein Rahmen bricht oder andere Konstruktionsfehler offenbar werden. Doch diese Mängel merken die Lehrlinge in der Regel am eigenen Leib, denn ihre Räder werden natürlich von ihnen selbst getestet.
Zudem spiele das Radfahren eine große Rolle bei Z&Z, verrät Fahrradliebhaber Bleckmann. Im Rahmen der human powered vehicles (hpv), also der mit Muskelkraft betriebenen Fahrzeuge, nehmen die Azubis von Z&Z an Europameisterschaften teil. Auslandskontakte sind den AusbilderInnen wichtig. So gibt es in Irland und neuerdings auch in der Schweiz Partnerbetriebe, in denen die Jugendlichen ihre Praktika absolvieren. Meist am Ende des ersten Lehrjahres müssen die Zweiradmechaniker ein halbes Jahr lang in einem Betrieb zeigen, was sie gelernt haben. „Oft ist der Praktikumsbetrieb dann nach der Lehre die erste Arbeitsstelle“, weiß Bleckmann aus Erfahrung. Im dritten Lehrjahr werden schließlich noch Verbrennungsmotoren behandelt.
Nach dreieinhalb Jahren haben die vormals „Benachteiligten“ dann den Gesellenbrief in der Hand. Fast alle Lehrlinge von Z&Z finden übrigens nach der Ausbildung auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung. Von Benachteiligung ist somit nichts mehr zu spüren. Tammo Löffler
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