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Kahlschlag in MittePotemkin an der Friedrichstraße

■ taz-Serie (Teil 7): Das Metropol-Theater soll nicht nur privatisiert werden, sondern auch sein Innenleben verlieren / Suche nach Alternativkonzepten

Entscheidend ist der zweite Blick. Auf den ersten wirkt die Fassade an der Friedrichstraße unscheinbar. Wer jedoch den Hinterhof betritt, steht vor der Jugendstilfassade des Metropol- Theaters und mithin vor einem Stück Vergnügungsgeschichte im nördlichen Teil der alten Flaniermeile. Der dritte Blick schließlich trifft im Innern auf das „Zuschauerhaus“, denkmalgeschützt wie der Eingangsbereich. Plüsch einmal erhaltenswert.

Auf dem Gelände des gründerzeitlichen Admiralgartenbads baute Heinrich Schweitzer 1910 den „Admiralspalast“. Die Kurzlebigkeit des Friedrichstraßenpläsirs verschaffte auch dem neoklassizistischen Bau ein Sammelsurium an Nutzungen. Schwimmbad, Eisarena, Kino, Gastronomie, Theater. Ein wahrhafter Ort der Begegnung. Und des Händeschüttelns: 1946 fand in den Sälen des Admiralspalastes der Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED statt.

Im Westen ist Händeschütteln kein Thema mehr. Das Metropol- Theater, in der jüngeren DDR- Vergangenheit der Spielort für Operetten und Musicals, aber auch für Tanztheater und Jazzkonzerte, soll im Jahre fünf nach eins privatisiert werden. Vergnügen und Sparhaushalt passen nicht zusammen, allen Altneubestimmungen der Friedrichstraße zum Trotz. Die Investorengruppe (darunter Argenta Anlagegesellschaft und Hanseatica-Unternehmensconsulting) verpflichtet sich laut Vertragsentwurf lediglich, den Spielbetrieb sechs Jahre lang auf eigenes Risiko aufrechtzuerhalten. Danach stünde das Gebäude zur freien Verfügung, es sei denn der Senat würde im Jahre 2000 seinen eigenen Beschluß revidieren und das Metropol weiter subventionieren.

Aber auch baulich würde die Privatisierung Folgen haben. Wenn das Metropol, wie von der Inverstorengruppe vorgesehen, saniert wird, soll das Ensemble nicht nur vorübergehend im Schiller-Theater unterkommen, auch den dritten Blick in der Friedrichstraße 101/102 wird es dann nicht mehr geben. Einzig die Fassade soll dann als potemkinsche Hülle stehen bleiben, das Interieur dieser letzten erhaltenen Friedrichsstädter Vergnügungsstätte um der Kapazität und Modernität willen ausgehöhlt werden.

Noch freilich ist nichts beschlossen. Die kulturpolitischen Sprecher der Abgeordnetenhausfraktionen plädieren weiterhin für plaisir public, sprich: die Privatisierung der umliegenden Grundstücke, um aus den Erlösen das Metropol langfristig zu sichern. Und der Bezirk hat unlängst eine Studie erarbeitet, derzufolge der Spielbetrieb auch während der Sanierung aufrechterhalten werden kann. Doch egal, wie man es wendet, 80 bis 100 Millionen private oder öffentliche Märker müssen langfristig für die Sanierung des Metropol-Theaters ausgegeben werden. Kultursenator Roloff-Momin, entschiedenster Befürworter der Privatisierung, zeigt sich enstsprechend skeptisch. Über weitere Subventionen, sagte sein Sprecher, sei man erst dann bereit zu verhandeln, wenn neben den kulturpolitischen Sprechern der Fraktionen auch die Finanzexperten entsprechende Vorschläge unterbreiten. Uwe Rada

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