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„Siemens sitzt dick in der Tinte“

■ Umweltschützer Gerold Janssen prozessiert gegen Siemens-Konzern – erstmals mit Anwalt

Gerold Janssen ist nicht nur Umweltschützer, Gerold Janssen ist auch Aktionär bei Siemens. Und deshalb sehr besorgt um den Konzern. So besorgt, daß er sich für seine Klage vor dem Landgericht München jetzt erstmals einen Anwalt genommen hat, einen, der sich auf die Verteidigung der sogenannten „Kritischen Aktionäre“ gegen ihre Konzerne versteht. Janssen sieht seine Rendite in Gefahr gebracht durch Siemens' Planung, im Naturschutzgebiet Uni-Ost zu bauen. „Siemens schädigt den Ruf des Unternehmens, wenn es ökologischen Bedenken nicht nachgeht“, sagt Janssen. Nicht nur das: Was wird aus den Rationalisierungsbestrebungen, wenn Bremer Umweltschützer gegen Siemens klagen, unkt Janssen weiter, wird dann nicht das Bauvorhaben durch Planungsunsicherheit, Gerichtsprozesse etc. verzögert?

Solcherart besorgt war Janssen auch im März bei der Hauptversammlung der AktionärInnen in München aufs Podium gestiegen und hatte Vorstandsmitglied von Pierer eindringlich gefragt: „Herr von Pierer, stimmen Sie für den Konzern dem Anspruch auf flächenschonende Anlagenpolitik unter Umweltaspekten zu – auch am Beispiel der Standortumsiedlung Bremen?“ Im Jahresbericht war nämlich nur von ökologischer Produktion die Rede gewesen, nicht aber von ökologischer Standortplanung. Eine ganz wichtige Frage für die Kritischen AktionärInnen, sagte Janssen gestern zur taz, denn Siemens wolle auch bei Dresden in einem Naturschutzgebiet bauen: eine riesige Mikrochip-Anlage.

Doch der Vorstand verlas nur einen alten Brief an Janssen. Hauptaussage: Siemens sei „europaweit Vorreiter im Umweltschutz“. Der wütende Janssen ließ sich erneut in die Rednerliste eintragen und brachte seine nichtbeantworteten Fragen beim Notar zu Protokoll. Doch auch in der zweiten Antwortrunde hagelte es laut Janssen nur „Allgemeinplätze“: verantwortlich für die Bremer Planungen sei der Senat, man habe sehr freundschaftliche Kontakte zum grünen Umweltsenator ... Außerdem mische sich Janssen ein, noch dazu ohne jedes Mandat. Janssen beschloß, den Vorstand auf Auskunft zu verklagen. Gegen 20 Uhr verließ er dann erstmal die Hauptversammlung, um noch den Nachtzug nachhause zu erwischen.

Genau das kreiden ihm nun die Rechtsanwälte der Firma Siemens an: Um 21.05 nämlich habe der Vorsitzende Franz gefragt, ob alle AktionärInnen zufriedengestellt seien durch die vom Vorstand erteilten Antworten. Da habe kein Janssen mehr aufgemuckt. „Aber das war doch nur eine Floskel“, sagt Janssen. Und der Anwalt pflichtet in seinem Brief vom 22. Juli bei: eine „im Grunde rhetorisch gemeinte Frage“.

Mehr Gehirnschmalz mußten die beiden aber aufwenden, um den folgenden Einwand der Siemens-Anwälte niederzuschlagen: Antragsteller Janssen wolle ja nur zu einem regionalen Problem in Bremen eine schriftliche Äußerung des Siemensvorstandes bekommen, um sie politisch auswerten zu können. Das sei aber kein durch das Aktionärsgesetz geschützes Recht. Von wegen, sagen da der Anwalt und Janssen: Aktionäre können sehr wohl nach Einzelfällen fragen. Müssen sie auch. Man könne ja zum Beispiel auch nicht nach der Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung mit solch allgemeiner Formulierung fragen wie: „Bejaht der Vorstand den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit?“ Nichtssagend müsse jede Antwort darauf sein. Die Frage nach Fallbeispielen also sei erlaubt.

Gerold Janssen freut sich derweil diebisch auf das nächste Schreiben der Siemens-Anwälte: „Stell dir vor, Siemens sagt: ,Ja, unsere Aussage für die Umweltpolitik gilt auch für den Anlagenbau' – dann kann Siemens nicht in Uni-Ost bauen, wenn sie sich nicht widersprechen wollen. Aber wenn sie ,Nein' sagen – dann zeigen sie, daß Umweltschutz für Siemens nur auf dem Papier existiert. In jedem Fall sitzt Siemens dick in der Tinte.“

Janssen selbst ist mittlerweile aus der Bredouille, in die ihn ein Bußgeld verfahren wegen Parolenmalerei am Autobahnzubringer gebracht hatte: neben den 308 Mark Ordnungsstrafe sind außerdem 2.000 Mark Spenden für den BUND bei ihm eingegangen – nach dem Motto: „Gerold kann malen, wir werden zahlen.“ Der so Beglückte freut sich auf den nächsten Akt des Schauspiels: Morgen um 8.30 Uhr geht es im Amtsgericht, Sitzungssaal 551 um ein Ordnungsgeld von 500 Mark wegen Parolenmalerei rund ums Siemenshochaus. Ein Friedensangeobt des Staatsanwaltes hat Janssen abgelehnt – er will sich den Spaß des Prozesses nicht nehmen lassen. Und erst recht nicht den Bußgeld-Spaß: diesmal will er sich jede Mark vor dem Rathaus erbetteln. cis

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