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Unterm Strich

Samstag berichteten wir von ausgestorbenen Berufen. Jetzt frißt die Technik ihre Techniker: Ein Braunschweiger Student der Hochschule für Bildende Künste (HBK) hat möglicherweise ein bahnbrechendes neues Film- und Videoverfahren entwickelt, das gleich eine ganze Reihe von ehrbaren Arbeitern hinter den Kulissen überflüssig macht. Michael Orthwein schuf in seiner Diplomarbeit eine Methode, mit der per Kamera aufgenommene Filmdarsteller in eine vom Computer künstlich erzeugte Welt eingesetzt werden können. Wie die Hochschule am Samstag über die Experimente des Primus berichtete, würden selbst Spiegelungen und Schattenwurf täuschend echt erzeugt. Im bislang üblichen Blue box-Verfahren werden die Darsteller auf das vorher präparierte Bild „aufgelegt“. Durch das neue IRV-Verfahren (Integration von Realbild und virtueller Realität) könnten die Darsteller voll integriert werden. Dabei entstünden die für den Realitätseindruck wesentlichen Lichtverhältnisse naturgetreu. Kostspielige Kulissenbauten, Modelle oder Special effects seien mit dem neuen Verfahren nicht mehr nötig, heißt es in der Uni-Mitteilung. Fazit: Arbeiter, fangt endlich an zu forschen.

Für „Kumpel Alfred“ aus Gelsenkirchen ist der Bergbau das wirkliche Kultur-Happening. In mehr als 1.000 Metern Tiefe, auf der zehnten Sohle des Bergwerks Hugo/Consolidation zeigt der Ruhrgebietsmaler Alfred Schmidt seit Freitag 28 Bergbaumotive in einer einmaligen Ausstellung. Die Tusche-, Graphit- und Kugelschreiber-Bilder aus der harten Arbeitswelt legen laut Schmidt den Beweis ab, „daß sich jemand um die Bergleute kümmert“. In den kommenden drei Wochen kann die Zechenbelegschaft auf dem Weg zur Schicht oder in den Feierabend die Arbeiten von „Kumpel Alfred“ besichtigen. Schmidt malt bereits seit 1975 unter Tage und fuhr zu mehr als 2.000 „Schichten“ auf Hugo/Consolidation ein.

Lang hat das Schweigen des Alexander Solschenizyn nicht gehalten: Nachdem ihm die FAZ eine halbe Ewigkeit hinterherschreibend durch Tundra und Taiga auf dem Weg nach Moskau gefolgt war, redet der Mensch nun wie von selbst über die Weiterführung der Politik mit den Mitteln der Separation. Am späten Freitag abend plauderte der starrblickende Bärtige seine Visionen von der Zukunft der GUS für die TV-Sendung „Wsgljad“ aus: Seiner Meinung nach habe sie keine. Man brauche nicht am jetzigen Modell festzuhalten, er würde eher einen entschlackten Staatenbund zwischen Rußland, der Ukraine, Weißrußland und Kasachstan vorziehen. „Der Kaukasus und Mittelasien richten sich zur islamischen Welt aus; das ist nicht unsere Welt“, meinte der 75jährige, und vergaß dabei wohl all die pferdelieben Kirgisen und netten Tibeter, die nomadisierend durch die Lande ziehen. Dem Mann scheinen das Salz und Brot der Heimat nicht ganz so gut zu bekommen.

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