: Mit Nena in den Untergrund
■ Jugendsendungen laufen immer, mit "Metro" springt der SFB im September auf den fahrenden Zug
„Kann mir mal jemand sagen, was ich machen soll? Ich hab' das schon so lange nicht mehr gemacht.“ Niemand reagiert auf Nenas Bitte, und so schießt sie zielstrebig ausgerechnet auf den Berichterstatter dieser Zeitung zu und bohrt: „Hast du nicht vielleicht eine Frage?“ Der antwortet den Tatsachen entsprechend: „Nö.“ Woraufhin Nena feixt: „Na prima, dann kann ich ja jetzt wieder gehen.“
Dann bleibt sie aber natürlcih doch, unsere Susanne Kerner, die sich 1982 in Nena umgetauft hat, um mit 99 Luftballons als Sangessternchen in den Show-Olymp aufzusteigen. Professionell strahlt sie noch beim 83. sommerlochbedingten Blitzlicht Claudia-Schiffer-like in die Kameras und läßt die höchst belanglose Fragerei-Folter über sich ergehen: Augen auf und durch.
Die Lady des ostdeutschen Revolverblatts Super-Illu erzielt den Blabla-Rekord: „Warum haben Sie Ihre Haarfarbe gewechselt, und wo gehen Sie immer zum Friseur?“ (Nach Stuttgart, weil „es ziemlich schwierig ist, gute Friseure zu finden.“) Und die Oma von der Berliner Zeitung fragt kulikauend: „Werden wir in Ihrer Sendung die poppende Nena sehen oder auch eine nachdenkliche?“ („Diese Unterscheidung mag ich nicht. Ich bin, wie ich bin.“) Der SFB hatte sich etwas ganz Pfiffiges einfallen lassen und die Pressekonferenz in einen Berliner U-Bahn- Wagen verlegt, Station „Deutsche Oper“. Die dort im Untergrund tätigen Verkehrsbetriebemitarbeiter fieberten mindestens so aufgeregt dem Auftritt der Nena entgegen wie die versammelten Klatschreporter. Ein Zugabfertiger versprach sogar: „Wenn die Nena kommt, fall' ich in Ohnmacht, und sie küßt mich wieder wach.“ Dazu kam es dann doch nicht.
Ab 5. September wird „Metro, das schnelle Magazin“ über den Bildschirm flimmern – zu so attraktiven Zeiten wie montags bis donnerstags von 15.03 Uhr bis 15.30 Uhr, samstags schon ab halb zehn. Nena, die die Beiträge der 27-minütigen Plappershow an- und absagen wird, zeigte sich während der Pressekonferenz sympathisch orientierungslos, wenn sie nach dem Konzept der Sendung befragt wurde. „Fragen Sie lieber die von der Redaktion. Die sind alle sehr nett. Ich weiß eigentlich nur, daß es bei ,Metro‘ ums Leben geht.“
Das Leben bei „Metro“ ist ein „Schienentraum voller Alltagsgeschichten“, der „hoffentlich im Fahrtwind bleibt“, „frech und nachdenklich, anrührend und aufrüttelnd, spannend und komisch“. Sagt die Redaktion. Nena sagt, sie werde bei jeder Sendung eine andere, von ihr geschneiderte Latzhose tragen. (Und außerdem träumt sie davon, eine eigene Musiksendung zu produzieren, „da habe ich dann auch Einfluß auf die Beiträge“.)
In einem nachgebauten U- Bahn-Wagen werden Ken Jebsen, der „Reporter des Wahnsinns“, sowie „Tankstellenwart Fritzenkötter“ (Martin Quilitz) irgendwelche No-names vor die Kamera zerren und fein gesiebte Promis in 1.-Klasse-Abteilen löchern. Nena darf – manchmal zusammen mit ihren Zwillingskindern („es soll alles ganz natürlich sein“) – nur moderieren. Pro Sendung kann sie ihr Naturell zwischen drei und fünf Minuten entfalten. Wobei sie niemanden interviewen wird („Ich weiß, wie es ist, interviewt zu werden“), weder singen noch Gäste einladen darf.
Die Welt kann „Metro“ nicht neu erfinden, der Rest soll aber „gaaanz witzig“ werden. Eine Nullnummer wollte den Journalisten Appetit auf „Metro“ machen, doch die Wirkung blieb aus. „War's das etwa schon?“ murmelte ein Kollege enttäuscht vor sich hin.
Was war geschehen? Fast nichts. „Metro“ zeigt Berlin von oben (sehr witzig), läßt einen Dreamman über die Mühen mannigfaltigen Muskelzuwachses plappern (total witzig), filmt fünf Männer in Unterhosen, wobei einer von seiner Vorliebe für „die mit dem String“ schwärmt (dito), und besucht eine Bauchtänzerin, die findet, daß das „irgendwie so eine Faszination hat“ (gaaanz witzig).
Faszinierend allein indes ist die Werbeprosa des SFB. „Fahren Sie Metro! Der Zug nach Nirgendwo mit den Menschen von überall.“ Thorsten Schmitz
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