piwik no script img

Bauhaus-Design nachgeknüpft

■ Teppichentwürfe von Künstlerinnen aus den 20ern als Schaufenster-Ausstellung Entwürfe von Frauen am Bauhaus legt die Teppich Industrie wieder auf und zeigt ein Schaufenster-Ausstellung.

Eine Frauenquote, wie sie heute noch nicht wieder erreicht worden ist: 50 Prozent weibliche Studentinnen. 1919, zur Entstehungszeit des Bauhauses, als man in Weimar noch in den Kinderschuhen steckte waren dort zur Hälfte Frauen eingeschrieben. Eine Präsenz der Künstlerinnen, die auch im kreativen Output ihren Nachhall fand. Damals entstanden Teppiche und Entwürfe zu Textilem, auf die heute der Staubsauger- und Teppichproduzent Vorwerk zurückgreift. In ihrer „Classic“-Auslegwaren-Kollektion widmen sie den Bauhaus- Frauen eine ganze Serie. In Bremen sind die Teppich-Klassiker zur Zeit Tag und Nacht zu bewundern: in einem Schaufenster der Firma Harms im Tunnel der Bischofsnadel.

Mit der Entscheidung die Entwürfe der Bauhaus-Frauen wieder aufzugreifen, zeigt der Teppichherstellers Vorwerk Einsicht in einen Trend. Zwar laufen schon seit 10 Jahren die Bemühungen in Sachen Kunst am Teppich, aber bislang kamen nur die Männer zu Wort.

Jetzt sind auch hier die Bauhaus-Frauen dran. Schon in den 20er gerieten sie unter Druck, wurden von Walter Gropius und seinen männlichen Kollegen bei der Zulassung einer „besonders kritischen Prüfung“ unterzogen. Bis 1933 ging die Zahl der eingeschriebenen Frauen stetig zurück. Aber nicht nur das, auch ihre Außenwirkung ließ zu wünschen übrig.

Nach 2jähiger Zusammenarbeit mit den alten Künstlerinnen hat Heinrich Feise von den Vorwerk-Teppichwerke dazugelernt: „Also ehrlich gesagt, das war mir zu Anfang auch nicht klar, daß von deren Entwürfen gar nichts verwirklicht worden ist. “ Die Einsicht kommt, wenn auch mit kleiner Verspätung: 70 Jahre.

Bei der Wiederaufnahme der alten Bauhaus-Entwürfe ist man an die noch Lebenden herangetreten: Monica Bella-Broner, Kitty Fischer, Gertrud Arndt und Gunta Stölzl. Die alten Damen gaben nicht nur ihr Einverständnis, sie änderten jetzt für die Fabrikation auch noch Farbnuancen. Gertrud Arndt, 1903 in Oberschlesien geboren, erinnert sich bei dem Anlaß an die Arbeitsbedingungen im Bauhaus: „Ich mußte die ganze Wolle selbst färben - ohne Ahnung und Hilfe. Es war grausam! Wir waren alle unterernährt, ich wog 82 Pfund.“

In den 20er Jahren ergreifen technischen Umwälzungen viele Produktionzweige, auch die Teppichherstellung. Mit den entsprechenden Maschinen entstand ein Interesse für Meterware und Teppichböden. Ein Aufgabe, die auch am Bauhaus als Herausforderung empfunden wurde. Lang hat es gebraucht, bis man erkannte, daß der beliebte Perser vor dem Sofa nicht einfach von der Rolle kommen darf. Was man brauchte, waren Muster mit unendlichem Rapport, dafür eigneten sich die streng graphischen Entwürfe der Bauhaus-Künstlerinnen. Es entstand, zunächst noch in den Köpfen und erst heute in der Produktion: Eine Ästhetik, die Walter Benjamin meint, wenn er vom „Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit.“ spricht.

Heute reiht sich die Rückbesinnung an die Deutsche Design-Geschichte in einen Trend ein, der seit 15 Jahren stetig zunimmt (s. taz 25.7.). Da wird nachgebaut und imitiert, kopiert und zitiert was das Zeug hält. Mal mit und mal ohne Verweis auf die Geschichte und oft auch als Raubnachbau ohne die Rechte der Künstler abzuklären. Klar, daß Vorwerk Lizenzen zahlt, schließlich können sie die über den Preis an ihre Kunden weitergeben. Wer das ist, wer so was kauft? Die Anette Hinrichs, Verkäuferin bei Harms am Wall weiß aus Erfahrung: „Meist wird das für Praxen oder Büros gekauft, privat sind die Kunden meist konservativer. Aber letzt kam mal einer, der sagte meine Angestellten wollen's schön bunt haben und der hat dann so einen gemusterten Teppichboden gekauft.“

Susanne Raubold

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen