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Gewalttätiger Wahlkampf in Sri Lanka

Nach 17 Jahren muß die zerstrittene Regierungspartei fürchten, im August abgewählt zu werden / Ex-Premierministerin Bandaranaike und ihre Tochter auf dem Vormarsch  ■ Von R. Cheran und Walter Keller

Als der amtierende Präsident D. B. Wijetunga Ende Juni das Parlament auflöste und vorgezogene Wahlen für den 16. August ankündigte, war nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch das Kabinett völlig überrascht. Die seit siebzehn Jahren regierende United-National-Partei ist völlig zerstritten, und der Schachzug des Staatschefs zwingt die verschiedenen Fraktionen plötzlich zur Zusammenarbeit, wenn die UNP an der Macht bleiben will.

Seitdem der Wahltermin feststeht, kommt es täglich in zahlreichen Landesteilen zu Auseinandersetzungen zwischen Unterstützern der miteinander konkurrierenden Parteien. Die Polizei zählte bereits über eintausend Vorfälle, wobei zahlreiche Menschen den Tod fanden. In zwei Häusern Colombos und einem Lieferwagen fand die Polizei außerdem 700 Kilogramm Sprengstoff, die nach Angaben der Polizei von sechs in die Hauptstadt eingedrungenen Selbstmordkommandos der tamilischen LTTE – genannt „Black Tiger“ – für Terrorakte genutzt werden sollten. Daraufhin wurden Fahndungsmaßnahmen eingeleitet, unter denen vor allem wieder die schätzungsweise 100.000 Tamilen leiden, die in den vergangenen Jahren auf der Flucht vor militärischen Auseinandersetzungen im Nordosten des Landes nach Colombo geflüchtet sind. Hunderte, die der Polizei „keine zufriedenstellende Erklärung für ihren Aufenthalt in Colombo“ – so der offizielle Sprachgebrauch – geben konnten, wurden allein während der vergangenen Wochen wieder verhaftet – die meisten allerdings „nur“ für kurze Zeit.

Das politische Spektrum ist derzeit recht unübersichtlich: 1.395 Männer und nur 45 Frauen aus dreizehn politischen Parteien sowie 26 unabhängigen Gruppierungen konkurrieren um die 196 gewählten Parlamentssitze in den 22 Distrikten des Landes. Hinzu kommen noch einmal 29 Sitze, die über Landesplätze abgesichert werden.

Die größte Herausforderung für die Regierungspartei stellt die oppositionelle „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) unter Ex-Premierministerin Sirimavo Bandaranaike dar. Sie hat am Mittwoch die Tochter der 78jährigen Politikerin, Chandrika Kumaranatunga, zu ihrer Premierministerkandidatin gekürt. Die SLFP ist stärkste Partei innerhalb eines Elf-Parteien- Bündnisses (People's Alliance, PA).

Selbst auf der militärisch umkämpften Jaffna-Halbinsel soll gewählt werden – obwohl dort ohne die Zustimmung der tamilischen Guerillaorganisation LTTE nichts geht. Offiziell sind die „Tiger“ strikt gegen Wahlen in den von ihnen kontrollierten Gebieten; sie haben allerdings bisher die Wahlvorbereitungen noch nicht durch militante Aktionen gestört.

Im von der Armee kontrollierten Gebiet auf der Jaffna-Halbinsel sowie auf einigen Jaffna vorgelagerten Inseln hatte die Regierung eigens Büros eingerichtet, in denen sich Kandidaten für die Wahlen im Jaffna-Distrikt registrieren lassen konnten. Die dort für zahlreiche tamilische Parteien – die alle in Konkurrenz zur LTTE stehen und deshalb vorwiegend mit der Regierung zusammenarbeiten – kandidierenden Personen wurden zur Registrierung mit Armeeflugzeugen eingeflogen.

Menschenrechtsgruppen haben die Entscheidung der Regierung kritisiert, Wahlen auch in den umkämpften Landesteilen abzuhalten. Der nördliche Jaffna-Distrikt wird nur zu höchstens zwanzig Prozent von den srilankischen Streitkräften kontrolliert. Insgesamt leben derzeit schätzungsweise 600.000 Menschen auf der Jaffna- Halbinsel; in dem von den Regierungstruppen gehaltenen Gebiet sind es allerdings nur etwa 7.000. Dies würde bedeuten, daß nur 7.000 Einwohner über die 13 Sitze im Parlament entscheiden könnten, die insgesamt für den äußersten Norden Sri Lankas vorgesehen sind.

In Colombo stellt sich unter Führung von Kumar Ponnapalam erstmals eine unabhängige tamilische Gruppierung zur Wahl, die überwiegend aus Intellektuellen, pensionierten Richtern, Lehrern und Beamten sowie Schriftstellern besteht. Die Gruppe fordert die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten in den Nordostgebieten und verlangt eine stärkere Beteiligung von Tamilen an der Regierungspolitik. Damit wirbt zum ersten Mal in Colombo eine tamilische Gruppe offen um die Stimmen der schätzungsweise 175.000 tamilischen Wähler, die bisher überwiegend für die regierende UNP gestimmt hatten.

Siebzehn Jahre freie Marktwirtschaft haben auch im Wahlkampf ihre Spuren hinterlassen: Alle Parteien werben mit Hilfe der großen kommerziellen Werbeagenturen, die Zeitungen sind voller mehr oder weniger anspruchsvoller Wahlwerbung, die fünf privaten Fernsehsender verkaufen Sendezeit für Wahlspots, und auch das staatliche Fernsehen „Rupavahini“ bietet allen Parteien Sendezeit an. Während früher die Kandidaten auf Wahlplakaten meist nur im weißen „National Dress“ aus Baumwolle zu sehen waren, zeigt sich derzeit Premierminister Ranil Wickramasinghe, dessen Wahlkampf von der Werbeagentur, die auch für US-Präsident Clinton arbeitet, fast „yuppiehaft“ auf Wahlplakaten der UNP in Jeans.

Inhaltlich unterscheiden sich die Wahlprogramme von UNP und PA nur marginal. Beide Gruppen versprechen Unterstützung der Armen und Arbeitslosen. Während die PA bei einem Wahlsieg ein Ende des Bürgerkriegs und sofortige Verhandlungen ohne Vorbedingungen mit der LTTE verspricht, verkündet die UNP die militärische Zerschlagung der „Tiger“ für den Fall, daß die tamilischen Rebellen nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren – warum sie dies bis jetzt nicht getan hat, bleibt das Geheimnis der Regierungspartei.

Sollte es im August wirklich zum Sturz der Regierungspartei kommen, so sähe sich Präsident Wijetunga bis zu den Präsidentschaftswahlen im Dezember in einer äußerst schwierigen Position, müßte er doch unter einer von der SLFP geführten Regierung sein Exekutivamt ausführen.

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