: Aufruf zur Gewalt
■ Rechtsextreme FAP ruft zur Jagd auf vermeintliche Täter im Tötungsfall Kaindl / Pamphlete im Prenzlauer Berg verteilt
Die rechtsextreme FAP ruft im Zusammenhang mit den von der Polizei gesuchten Personen im Tötungsfall Kaindl zur Selbstjustiz auf. „Lange Zeit“, heißt es in einer vorgestern abend im Prenzlauer Berg verteilten Ausgabe der Zeitschrift Aufbruch, habe der „linksterroristische Berliner Mob mit legalen Demonstrationen die Freilassung der Inhaftierten“ fordern dürfen, nun freilich werde „das nationale Deutschland rüsten müssen, damit solche Morde im Vorfeld verhindert werden können“. Für die bislang nicht verbotene Neonazi-Partei ist damit offenbar die Zeit vorbei, da sich die „nationale Szene“ von „Terrorakten gegen national gesinnte Deutsche“ nicht habe herausfordern lassen, „sondern rüstet und wartet ...!“
Gerhard Kaindl, Schriftführer der rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ war vor zwei Jahren in einem Neuköllner Lokal erstochen worden, zwei weitere Personen wurden verletzt. Fünf Tatverdächtige aus der linken Szene sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft, fünf weitere werden gesucht. Nicht nur von der Polizei, sondern auch von der FAP. Der Fahndungsaufruf der Polizei, einen Tag nach einer Demonstration gegen die „Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands“ von der Berliner Zeitung und der Morgenpost abgedruckt, findet sich nun mit Foto und vollem Namen in der FAP-Postille wieder. Darunter heißt es: „Es sei den linken Verbrechern und roten Politrattenfängern versichert: Es wird nichts vergeben und zu gegebener Zeit abgerechnet.“
Seit geraumer Zeit richten sich die Aktivitäten der FAP gegen die Arbeit der AntifaschistInnen. So war einer der Schwerpunkte des FAP-Bundesparteitags Mitte April die Koordinierung der „Anti-Antifa“-Aktivitäten. Eine von der FAP geplante Kundgebung zum 1. Mai in Johannisthal allerdings scheiterte: Die Präsenz der dort versammelten Gegendemonstranten ließ den Neonazis keine andere Wahl, als die Kundgebung abzublasen. Am Abend freilich trafen sich die Neonazis in einer Privatwohnung im Prenzlauer Berg, eskortiert von der Polizei, die ihrerseits etwa fünfzig Gegendemonstranten über zwei Stunden einzukesseln vermochte.
Nicht immer freilich stimmt die FAP, wie im Fahndungsaufruf im Fall Kaindl, mit den Staatsdienern überein. In einem FAP-Bericht über die Kriminalitätsstatistik des Bundesinnenministeriums heißt es, die gefährlichste Stadt Deutschlands sei Potsdam. Schuld daran sei der Polizeipräsident der Stadt, Detlef von Schwerin, der sich, statt die Kriminalität zu bekämpfen, vor allem „mit seinen widerrechtlichen Maßnahmen gegen nationale Deutsche“ einen Namen gemacht habe. Die sicherste Stadt Deutschlands, heißt es in unerträglichem Zynismus, sei dagegen Solingen. Dort schließlich verhindere „ein hoher Anteil national gesinnter Menschen Straftaten und läßt den deutschen Bürger ruhiger schlafen“. Dem polizeilichen Lagedienst war das Pamphlet gestern nicht bekannt. Uwe Rada
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