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Die Sachsen lassen die Socken lieber im Schrank

■ Zu plakativ: Die Ost-CDU will das „heimliche Parteiabzeichen“ der PDS nicht verkleben / Basis setzt auf sachbezogene, argumentative Auseinandersetzung

Da liegen sie auf dem Tisch, zwei Dutzend rote Socken. Niemand will sie haben. Vor zwei Tagen traf die Werbesendung ein. Absender: das Konrad-Adenauer- Haus am Rhein. Empfängerin: die östlichste CDU-Geschäftsstelle der Bundesrepublik, in Zittau an der Neiße. Das in der Bonner Parteizentrale gestrickte Sockenkonzept ringt Andreas Johne nur ein ironisches Lächeln ab: „Die Plakate werden hier wohl nicht die große Rolle spielen.“ Als CDU- Kreisgeschäftsführer hat er anderes zu tun. Nächste Woche will Kurt Biedenkopf auf dem Marktplatz referieren. Und mit ihm wird sich Lokalmatador Heinz Eggert, CDU-Vize und Innenminister, mal wieder in der Heimat zeigen. Zwei, die der seit vier Jahren alleinregierenden CDU mehr Punkte bringen werden als alle erdenklichen Kampagnen zusammen. Andreas Johne weiß das zu schätzen: „Wir sind hier alle nicht sehr spitz auf die Koryphäen aus Bonn. Einen landesbezogenen Wahlkampf wollen wir machen, mit zugkräftigen Namen und nicht so plakativ.“ Gewinnt die CDU im grünweißen Freistaat erst im September die Landtagswahl, kann sie sich den Wahlkampf für Bonn fast schenken.

Die PDS wird nicht ungeschoren davonkommen. Doch das Klischee von den „roten Socken“ hält der Zittauer Geschäftsführer für unpassend und langweilig. „Ich verstehe darunter eigentlich Leute, die sich bei gutem Wind in die besten Positionen gedreht haben.“ Von solchen Typen gebe es „nicht so viele“ bei der PDS. Seiner Meinung nach sei die PDS eher eine „Partei der Hardliner“, die sich „nach alten Verhältnissen“ zurücksehnen. Dagegen, so glaubt der CDU-Mann an der Zittauer Basis, helfe nur ein „nach politischen Inhalten geführter Wahlkampf“. Es habe auch „keinen Sinn, auf Wähler zu schimpfen. Aber wir müssen die Menschen erreichen, die nicht zur Wahl gegangen sind.“ Bonns „rote Socken“ will in Zittau niemand überziehen.

In der CDU-Geschäftsstelle in Bautzen an der Spree werden sie gar nur zur Abschreckung ausgehangen. „Wir geben diese Plakate nicht heraus“, stellt Geschäftsführerin Theresia Müller klar. „Nur ein Exemplar kommt ins Sitzungszimmer, zur Information. So etwas wie diese Kampagne entspricht nicht unserer ostdeutschen Mentalität. Wir müssen uns mit der PDS sachbezogen auseinandersetzen, dafür gibt es genug Stoff. Ich habe mit vielen CDU-Mitgliedern gesprochen, und alle haben sich gegen das Plakat verwahrt.“

Vorsichtiger äußert sich der Hoyerswerdaer CDU-Kreisvorsitzende Ulrich Klinkert. Er sitzt für die CDU im Bundestag. Als parteiinternen Ost-West-Konflikt mag er den Sockenschuß seines Generalsekretärs aber nicht gedeutet wissen. „Das Plakat“, meint er beschwichtigend, sei „publizistisch nicht besonders gelungen“. Aber eine „vielfältige“ Auseinandersetzung mit den „roten Socken“ ist schon richtig, „die muß sein“. Vielleicht war das Plakat gar „humorvoll“ gedacht? Der Kreisvorsitzende selbst jedenfalls werde das Söckchen nicht aufhängen. „Doch ich kann es niemandem verbieten.“ Für den CDU-Verband an der sächsisch-brandenburgischen Grenze läuten seit den Kommunalwahlen die Alarmglocken. In der Kreisstadt regiert ein PDS- Oberbürgermeister. Im Bergarbeiterstädtchen Knappenrode gab es für den PDS-Bürgermeister 97 Prozent im ersten Wahlgang. Nix Biedenkopf-Bonus.

Der sächsische CDU-Landesverband hat den Ernst des „humorvoll“ an der Leine baumelnden Söckchens erkannt. Heinz Eggert und Arnold Vaatz, die prominentesten „einheimischen“ CDUler, schweigen beredt zur Anti- Linksfront-Kampagne. Der Ministerpräsident teilte die Note „unangemessen“ aus. Danach empfahl der Landesvorstand den Kreisen, das Plakat im Schrank zu lassen. Zu groß ist die Gefahr, die Wähler zu verärgern.

Denn die Sachsen haben ihren eigenen Kopf – so lautet der Slogan, mit dem die SPD versucht, für ihren glücklosen Karl-Heinz Kunckel zu werben. Die CDU zeigt ihren Biedenkopf vor, mit dem knappen Hinweis: „Für Sachsen“. Wozu da noch an die Söckchenfront?

Generalsekretär Hintzes Verdienst ist es, den roten Strumpf innerhalb kurzer Zeit als „heimliches Parteiabzeichen der PDS“ populär gemacht zu haben. Wenn der Zittauer Kreisgeschäftsführer zum Volksfest vor dem Biedenkopf- Auftritt seinen Stoß Plakate mitnimmt, findet er auf dem Markt bestimmt begeisterte Abnehmer. PDS-Sympathisanten, Sozis und die eigenen Parteifreunde in einer Reihe: die Volksfront der Souvenirsammler.

Detlef Krell, Dresden

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