: Öko-Pirat 007
■ Walschützer Paul Watson liegt mit seinem Schiff „Whales Forever“ an den Hamburger Landungsbrücken
Von seiner Crew verlangt er, sie sollten ihr Testament machen. Denn die Männer und Frauen auf seinem Schiff geloben, ihr Leben für die Wale einzusetzen. Auch diese Verpflichtung müssen sie schriftlich geben. Bislang waren mehrere Dutzend Menschen bereit, für den Kampf gegen den Walfang alles zu riskieren. Paul Watson, der sich selbst gerne als Öko-Pirat bezeichnet, verlangt absoluten Gehorsam – er entscheidet in Gefahrensituationen allein, wie es weitergehen soll.
Das Piraten-Schiff, die M.Y. Whales Forever, liegt seit vorgestern an den Hamburger Landungsbrücken, um einen Maschinenschaden zu reparieren und die Außenhaut des türkisen, mit Walbildern verzierten Schiffes auszubessern. Das bietet den WalschützerInnen die Möglichkeit, über sich zu informieren und sich Geld in ihre Sammelbüchse werfen zu lassen.
Die 50 Meter lange Whales Forever kommt direkt aus Norwegen. Hinter sich hat das ehemalige Versorgungschiff für Bohrinseln eine zwölfstündige Hetzjagd: Sogar noch in internationalen Gewässern wurde es von der norwegischen Marine mehrmals mit Bomben beschossen, der Schiffsrumpf schlug leck, eine der beiden Maschinen fiel aus. Watson hatte versucht, die norwegischen Walfänger zu stören.
Deren Arbeit, das Abschlachten der bedrohten Tiere, billigt die dortige Regierung – trotz des Verbotes der internationalen Walfangkommission (IWC).
Watson, Mitbegründer von Greenpeace (Mitgliedsnummer: 007!), kämpft seit 17 Jahren gegen den Walfang. In seiner Laufbahn hat der amerikanische Professor für Ökologie schon neun Walfang-Schiffe versenkt: Pro erwischtem Walfänger pinselt der von vielen als „Ökoterrorist“ bezeichnete Mann die Nationalflagge und den Schiffsnamen des Verlierers an den Schornstein seiner Whales Forever.
Doch Watson ist kein rücksichtloser Kämpfer: Bei keiner Aktion wurden bislang Menschen gefährdet. Allerdings haut er wohl mal ganz gerne zu. Vor 17 Jahren flog er bei Greenpeace raus, weil er mit einem Knüppel auf einen Robbenfänger losging. Heute beschimpft Watson, der ein Kapitänspatent besitzt, die weltweit größte Öko-Organisation Greenpeace gerne als „Bürokraten-Verein“. Der wiederum hält Watson für gemeingefährlich. So ist man sich quitt.
Den Vorwurf, er sei Terrorist, weist der überzeugte Tierschützer weit von sich: Er bezeichnet die Walfänger als Terroristen. Denn entgegen allen geltenden Gesetzen würden Wale mit oder ohne Genehmigung gejagt, die norwegischen Schlächter würden sich dazu noch von der Armee schützen lassen. Wegen dieser Ansicht wurde er in Norwegen zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte ein Walfangschiff im Hafen eigenhändig versenkt. Watson legte Berufung ein, das Verfahren läuft noch.
Doch nicht nur in Norwegen ist man sauer auf den Öko-Professor. Auch die koreanischen Wal- und Treibnetzfischer haben ein Kopfgeld von 40.000 Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt.
Nun liegt die Whales Forever noch bis morgen in Hamburg. Während die 22-köpfige Crew des 1970 erbauten Tenders, übrigens ein ehemaliges norwegisches Forschungsschiff, daran arbeitet, ihn wieder seetüchtig zu machen, nutzen zwei beteiligte Verbände die Zeit, um die deutsche Bevölkerung über ihre gemeinsame Aktion aufzuklären: Die Organisation Sea Shepherd, die von Watson gegründet wurde, und das Europäische Tierhilfswerk, das den Kauf der Whales Forever mit 300.000 Dollar ermöglichte, arbeiteten bei der Fahrt nach Norwegen erstmals zusammen.
Bis morgen noch können Interessierte mit den Crew-Mitgliedern und VertreterInnen des Europäischen Tierhilfswerks sprechen. Wer Glück hat, kann sogar Pirat Paul Watson an Bord seines Schiffes sehen. Doch wer nach einem roten Freibeuter-Tuch und einer Augenklappe Ausschau hält, wird nichts finden: Watson, der Herr der walreichen Weltmeere, läuft rum wie jeder andere auch.
Kay Lentzsch/ab
Spendenkonto für den Walschutz: Raiffeisenbank Ziemetshausen e.G., BLZ 720 69 1326, Kontonr.: 7117400, Stichwort: „Whales Forever“.
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