■ Kahlschlag in Mitte: Ein Dauerbrenner
Der drohende Kahlschlag in Berlin-Mitte, der beantragte oder angedachte Abriß von über 190 Gebäuden, beschäftigt nicht nur die taz in einer Serie, sondern mittlerweile auch das Parlament. „In keinem einzigen Fall“, versicherte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) auf eine kleine Anfrage der FDP, habe bisher ein Denkmal aus dem Baudenkmalbuch gelöscht werden müssen.
Unabhängig davon, ob der Abriß ganzer Gebäudeteile nun denkmalfreundlich ist oder nicht, geht in der Mitte der Stadt der Streit vor allem darum, ob und wann ein abrißgefährdetes Gebäude in die Denkmalliste aufgenommen wird. „Seitdem dem Bezirk die Unterschutzstellung entzogen wurde“, klagt Eva-Maria Eichler, Leiterin des bezirklichen Denkmalamts, habe die beim Senat angesiedelte obere Denkmalbehörde auf die Forderungen des Bezirks in der Regel nicht reagiert. Den Grund nannte Hassemer selbst: „Aus Gründen des Arbeitsanfalls und der Personalausstattung“, so der Senator in seiner Antwort auf die FDP- Anfrage, „ist es aber nicht möglich, alle baulichen Anlagen, deren Abbruch beantragt oder beabsichtigt ist, unverzüglich zu prüfen.“
Für die Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau, ist diese Haltung willkommener Anlaß, Hassemer „Amtshilfe“ anzubieten. Nur so, glaubt man im Bezirk, könne man den Wettlauf mit der Zeit gewinnen. Binnen drei Monaten nämlich muß künftig über einen Bauantrag entschieden sein. Ist das Gebäude dann nicht in die Denkmalliste eingetragen, steht der Abrißbagger in den Startlöchern.
Dennoch wäre es falsch, den Denkmalschutz allein für das Abrißklima in der Stadt verantwortlich zu machen. Geht es um die Interessen der Investoren, ist auch Bausenator Wolfgang Nagel (SPD), wie im Fall des Rosmarin-Karrees, zu Opfern bereit. Solange es keinen grundlegenden Sinneswandel im Umgang mit historischer Bausubstanz, solange es keine weitergehende Opposition gegen den Kahlschlag gibt, wird das Thema Abriß in der Hauptstadt auch künftig ein Dauerbrenner sein. wera
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