■ Mit der Mercosul-Zollunion auf du und du: Erste Kompromisse
Rio de Janeiro (taz) – Die magische Formel „Mercosul“ geht erst im kommenden Jahrtausend auf. Der Aufbau des gemeinsamen Marktes zwischen den vier lateinamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gestaltet sich schwieriger als erwartet. Diese Erfahrung mußten jedenfalls erneut die Außenminister der vier Mercosul-Mitgliedsstaaten machen, die zur Zeit in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires verhandeln.
Eigentlich sollte der gemeinsame Markt mit knapp 200 Millionen Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt von über 500 Milliarden US-Dollar bereits am 1. Januar 1995 in Kraft treten. Doch entgegengesetzte Interessen der vier Mitgliedsstaaten und die wirtschaftliche Instabilität des mächtigsten Mercosul-Mitglieds Brasilien zögerten die ehrgeizige Entscheidung von Argentiniens Präsident Carlos Menem sowie Brasiliens Ex-Präsident Fernando Collor heraus.
Einige Kompromisse wurden bei den zähen Verhandlungen, die am Freitag in einen gemeinsamen Vertrag münden sollen, immerhin erreicht: Der gemeinsame Zolltarif für Informatikprodukte, wie Computer und Telefonzentralen, wird im Jahre 2006 bei 14 bis 16 Prozent liegen. In Brasilien, das einzige Mercosul-Land, das über eine Informatikindustrie verfügt, liegt der Importzoll zur Zeit bei vierzig Prozent. In Argentinien, Paraguay und Uruguay, wo keine Computer hergestellt werden, sind Informatikprodukte von Importzöllen befreit.
Der Widerstand gegen eine Zollunion ging von Argentinien, Uruguay und Paraguay aus. Die drei Staaten befürchten, von der Industrienation Brasilien mit Investitionsgütern überschüttet zu werden. Paraguays Wirtschaftsminister sieht bereits den blühenden Grenzhandel seines Landes mit importierten High-Tech-Geräten aus aller Welt zusammenbrechen: „Wir können nicht dazu verdonnert werden, für die Konkurrenzunfähigkeit der brasilianischen Industrie aufzukommen“, beklagte er sich in der brasilianischen Wirtschaftszeitung Gazeta Mercantil.
Zwischen Argentinien und Brasilien führt das Rekorddefizit von 3,7 Milliarden US-Dollar (1993) in der Handelsbilanz regelmäßig zu diplomatischen Affronts. Brasilien überschwemmt den argentinischen Markt mit preiswerten Autos, Lebensmitteln, tropischen Früchten, Papier- und Zellulose, während Argentinien mit seinen Exportschlagern wie Früchte, Fleisch und Wein in Brasilien nur begrenzt Erfolg hat. Außerdem mißfallen argentinischen Unternehmern die niedrigen Löhne, Energiepreise und Telefontarife Brasiliens. „Wir werden für die negative Handelsbilanz allein verantwortlich gemacht“, beschwert sich Brasiliens Botschafter in Buenos Aires.
Profitieren vom Abbau der Zollschranken würden die USA. Im vergangenen Jahr fiel die amerikanisch-argentinische Handelsbilanz mit einem Überschuß von zwei Milliarden Dollar eindeutig zugunsten der Amerikaner aus. Astrid Prange
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen