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Menschen wie du beziehungsweise ich: Der Heimwerker Von Claudia Kohlhase

Der Heimwerker steht auf seiner Leiter und flucht. Und zwar mit Grund, denn schon wieder klemmt die Steckdose. Und wenn nicht die Steckdose, dann alles andere. Es ist im Prinzip so, daß die Welt klemmt, und nur er, der Heimwerker, kann sie hinbiegen. Und wenn nicht hinbiegen, dann doch zurechtrücken. Bis das Maß wieder stimmt. Und wo stimmt das schon.

Darum ist der Heimwerker überall zuHause, ein emsiges Heimchen, am Werk in jeder Straße, speziell in unserer. Kein Haus, aus dem es nicht hämmert und meißelt, wummert und schweißelt. Denn selbst ist der Mann! Und wo er besonders selbst ist, ist er auf der Leiter, unter der Decke, hinter der Wand, unten im Keller, ja, da besonders, weil hier die Leitungsrohre herumliegen! Weil hier der Urwuchs vom Urwüchsigen verläuft, die intime Hausschlagader, der nur vom Heimwerker bis ins kleinste Seitenärmchen geistig gefolgt werden kann.

Es ist ein bißchen wie im Paradies, bloß ohne Eva, das heißt: vor Eva, wo die Welt im Keller und hinter der Verschalung noch ihm allein gehört, und direkt nach ihm oder seinetwegen auch vor ihm nur der liebe Gott kommt, der die Welt auch selbst gebastelt hat. Der Heimwerker ist natürlich ein bißchen weiter als Gott und hat schon die Elektrizität verlegt und die Sanitäranlagen eingerichtet und die Entwässerung gewährleistet.

Selbstverständlich besteht der Heimwerker nicht nur aus zwei rechten Händen, sondern auch aus einem abgezirkelten Fassungsvermögen. Wehe demnach, wenn die Gattin den falschen Hammer reicht! Denn schließlich ist Werkzeug kein Spielzeug, sondern sein Zeug: allein diese Wasserwaage und dieser Phasenprüfer, diese Kneifzange und dieser Schlagbohrer, dieser Hobel, dieser Fuchsschwanz, dieser akkugepufferte Tacker – da steht man doch automatisch grade und faßt nur hin mit Bedacht und Berechtigung!

Wenn's fertig ist, können sich's ja alle gemütlich machen in der Kellerbar: in seiner dem Urschlamm entsteißten Kellerbar! Das könnte der schönste Moment im Leben eines Heimwerkers sein, aber erst mal dauert so was, und dann, wenn er endlich mal sitzt, sieht er immer wieder diesen einen Schalter, zu dem er keinen Kontakt herstellen konnte, und das kann ja kein Glück sein. Auch das Glück muß sich mit der Wasserwaage bemessen lassen, da kennt der Heimwerker kein Pardon. Die Familie des Heimwerkers liebt ihren Heimwerker deswegen zwar nicht weniger, aber das nützt dem Heimwerker wenig. Denn wohin solange mit seinem inneren Ruf? Da kommt doch morgen garantiert der Axel vorbei und weiß wieder sofort, wie man's macht! Dabei macht der Heimwerker doch schon alles! Schon vor drei Jahren hat er mit dem Dachausbau angefangen, aber dann kam die Sache mit der Baugenehmigung und dann dieses Problem mit der Kapazität der Heizungsanlage, ganz abgesehen von diesem Staub und diesen toten Vögeln im Gebälk, bis die alle beerdigt waren! Danach hat er monatelang Baumärkte durchforsten müssen wegen der Wärmedämmung, und dann war die Mineralwolle krebserregend! Also wieder raus. So geht das beim Heimwerker, tagein, tagaus. Abends fällt der Heimwerker todmüde in seine Grube wie in ein Bett und träumt zur Strafe etwas Fertiges.

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