: Keine Eile mit Haiti
■ Clinton: Militärintervention jetzt wäre „verfrüht“ / Kongreß will mitreden
Washington/Port-au-Prince (AP) – US-Präsident Bill Clinton hat gesagt, daß er eine Invasion in Haiti für verfrüht halte. „Ich denke, wir haben alles getan, was wir mußten. Ich möchte diese Brücke nicht überqueren, bevor wir dort angelangt sind. Meiner Ansicht nach ist es verfrüht, jetzt noch weiter zu gehen“, sagte der Präsident vor Journalisten am Mittwoch im Weißen Haus. Man halte sich jedoch nach wie vor die Möglichkeit offen, die Militärmachthaber in dem Karibikstaat durch eine militärische Intervention zu vertreiben, fügte er hinzu. Die New York Times berichtete gestern, führende Berater Clintons seien uneinig, ob für einen Eingriff in dem Inselstaat eine Frist gesetzt werden solle. Der stellvertretende Außenminister Strobe Talbott habe sich dafür ausgesprochen, für eine Invasion in Haiti eine kurze Frist zu setzen; demgegenüber lehnte Verteidigungsminister William Perry dem Bericht zufolge jede Frist rigoros ab.
In Washington verabschiedete der Senat am Mittwoch einstimmig eine von den Republikanern Robert Dole und Judd Gregg eingebrachte nichtbindende Erklärung, wonach das Mandat des UNO-Sicherheitsrates alleine Clinton noch nicht ermächtigt, eine Invasion in dem Karibikstaat anzuordnen. Der Dole-Gregg-Antrag macht geltend, daß der Präsident gemäß dem nach dem Vietnamkrieg erlassenen „War Powers Act“ militärische Aktionen im Ausland mit dem Kongreß abstimmen muß. Clinton sagte nach der Abstimmung, er halte eine Zustimmung des Kongresses nicht für erforderlich, werde das Parlament aber konsultieren. Die südamerikanischen Staaten Chile, Uruguay und Venezuela, die gegen eine Invasion in Haiti sind, boten sich unterdessen als Vermittler bei der Ausarbeitung eines neuen Friedensplans an. Es sollten Vermittler nach Haiti entsandt werden. Ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums erklärte, sein Land werde sich möglicherweise an der Initiative beteiligen.
Auf Haiti geht das Militär derweil mit zunehmender Härte gegen die Bevölkerung vor. Aus dem 20 Kilometer von der Hauptstadt Port-au-Prince entfernten Ort Cabaret wurde am Mittwoch berichtet, daß Einwohner geschlagen und eingesperrt worden seien, die sich nach Anbruch der Dunkelheit noch auf der Straße aufhielten. In Port-au-Prince wurden am Mittwoch morgen die Leichen zweier Männer auf einer Hauptstraße gefunden. Die Toten wiesen Schußwunden auf und hatten Riemen um den Hals gebunden.
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