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Wider die Schamlosigkeit!

■ Bremer Ex-Pastor Huntemann sympathisiert mit der "Psycho-Sekte" VPM - auf dem Kongreß „Mut zur Ethik“ wird er einen Hauptvortrag halten

Georg Huntemann, ehemaliger Pastor der Bremer Martini-Gemeinde und heute Dozent in Basel und Leuven, wird als Hauptredner an dem Kongreß „Mut zur Ethik“ teilnehmen. Hauptveranstalter dieser Tagung ist der "Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis" (VPM).

Sektenexperte Udo Schuster vom Bundesvorstand der Jungen Union bezeichnet den wissenschaftlichen Anstrich des VPM als Deckmäntelchen für eine "aggressive Polit-Sekte". Kirchliche SektenexpertInnen bezichtigen den VPM, daß er "kritische Eltern, Fachleute und Journalisten mit Maßlosigkeit einschüchtert". Der VPM sucht seit einigen Jahren am rechten Rand von Kirchen und Politik nach SympathisantInnen.

Erfolgreich waren die VPMlerInnen aus Zürich auch bei Georg Huntemann. Huntemann erzählt, daß ihn die VPM-Leiterin Annemarie Buchholz-Kaiser in seiner Oberneuländer Villa aufgesucht habe. Mit ihr und ihren Begleitern sei er im Gespräch zu einem „Konsens“ über Kindererziehung, den Wert der Familie, Sexualität und Autorität gekommen. "Eine Familie ohne Vaterautorität ist für mich keine Familie, sondern ein Urhorde", meint Huntemann, und "daß die Frau dem Mann untertan sein soll".

Der VPM erfüllte dem Professor dann auch seinen Wunsch, ein Hauptreferat auf dem Kongreß halten zu dürfen. "Die Revolution der Schamlosigkeit" wird er anprangern. "Es ist unverkennbar, wie Pädophilie und Inzest sich durchsetzen", klagt der Ethiker; "obszöne Jesusdarstellungen" würden auch die "religiöse Schamlosigkeit" einläuten.

Während einzelne konservative Kirchenleute offenbar dem VPM recht zugetan sind, warnt die Evangelische Kirche in einer Aufklärungsbroschüre vor dem Psychoverein. Nun klagt der VPM in einem Mammutprozeß gegen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

Die aus der Züricher VPM- Zentrale vor das Hannoveraner Landgericht gereisten Zeugen versuchen, die Vorwürfe der EKD zu entkräften: daß der VPM hierarchisch organisiert sei, daß psychischer Druck auf Mitglieder ausgeübt werde, Kinder von ihren Eltern entfremdet würden und therapeutische Gruppengespräche auf Band mitgeschnitten und in Zürich ausgewertet würden.

Per Einstweiliger Verfügung hat der VPM außerdem gemeinsam mit der Sekte "Universelles Leben/Heimholungswerk" ein Buch des Sektenbeauftragten der Bremischen Evangelischen Kirche, Helmut Langel, gestoppt. Langel hatte den VPM als „modernen Psychokult" beschrieben. Den Ex-Pastor Georg Huntemann ficht diese Kollegenkritik nicht an, für Huntemann verteidigt der VPM "christlich-abendländische Werte".

Während Bremen übrigens noch weitgehend VPM- frei ist, gibt es formell eigenständige Gruppen in Hannover, Hamburg, Köln und Tübingen.

Uwe Birnstein

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