Feuer, Fieber, Geist und Tier

■ Sommertheater: Premiere von „Vau da Sarapalha“ des brasilianischen Teatro Piollin

Der Dschungel nährt Geschichten von merkwürdiger Gestalt. Und er sättigt Moskitos. Männer schützten sich mit Decken und Flüchen gegen ihre malariabringeden Stiche (umsonst), Frauen wehren sich mit Feuer und der Bekanntschaft von Dämonen (erfolgreich), der Hund hat keine Chance. Geschrei und Geräusche erfüllen die Dunkelheit, Ceicao, die alte Frau (Soia Lira) bei zwei sterbenden Männern, malträtiert den Blasebalg und entfacht einen Funkensturm. Es riecht. Der Hund schläft, zuckt und fiebert, Ribeiro und Argemiro sitzen auf einem Baumstumpf und sehen dem Malariatod entgegen. Die alte Frau wackelt über die Szene und brabbelt mit dem imbezilem Charme der Vereinsamung, erzählt mit Melodie und Silben.

Die beiden Vettern entspinnen ein Gespräch. Es ist protugiesisch, aber wahrscheinlich handelt es von Moskitos und der Vergangenheit. Aus dem Beipackzettel weiß der Zuschauer immerhin, daß hinter der Vertraulichkeit der Männer ein Geheimnis steckt, daß zum tragischen Zerwürfnis führen wird. Denn Ribeiro glaubt, daß Argemiro zu ihm kam, um bei der Arbeit auf den Reisfeldern am Sarapalha-Fluß zu helfen. Dieser weiß aber, daß er eigentlich wegen Ribeiros Frau diesen Ort aufsuchte, die aber inzwischen mit einem Cowboy fortgezogen ist. Sein schlechtes Gewissen erzwingt, den Fiebertod vor Augen, ein Geständnis. Am Ende brennt die gemeinsame Hütte ab (was sie bei Aufführungen in Brasilien auch tatsächlich tut), hier symbolisiert durch einen niedlichen See aus brennendem Spiritus.

Doch es ist nicht vordergründig diese Geschichte, die der brasilianische Regisseur Luiz Carlos Vasconcelos erzählen will. Was ihn an der Kurzgeschichte Sarapalha von Joao Guimaraes Rosa faszinierte, die er hier als Bühnenstück adaptiert, ist jene bizarre Stimmung aus verwachsenen und verwurzelten volkstümlichen Charakteren und einer geisterhaften Realität, die sich Menschen, isoliert in einer feindlichen Natur, erfinden müssen. Und diese Stimmung wird nahezu handgreiflich präsent.

Mit bescheidenen Mitteln, die Vasconcelos aber geradezu symphonisch komponiert, und berückenden Schauspielerleistungen entfacht er einen magischen Witz, der in seiner Unaufdringlichkeit aber sowohl die Aura des Märchenhaften wie die Wege des schallenden Lachers meidet. Der Humor Vasconcelos, der mit der Wirkungsweise des Clownesken seit über zwanzig Jahren vertraut ist, basiert auf präziser Beschreibung von Alltäglichkeiten, die, virtuos umgesetzt, genügend Witz beinhaltet.

Die Sympathie für seine einfachen Gestalten äußert sich in dem großen Respekt, mit dem er ihrer Orginalität und Würde begegnet. So verwundert es auch nicht, daß alleine der Hund Jilo (Servilio Gomes) so liebevoll und exakt gezeichnet ist, daß man aus seinen Auftritten fast ein Solostück entwickeln könnte.

Teatro Piollin - ein zurückhaltender Höhepunkt des bisherigen Festivals.

Till Briegleb

Noch heute, Halle 4, 20 Uhr