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Schlicht oder schnuckelig?

■ Betrachtungen über einen unscheinbaren Zeitgenossen: der Poller/ Bremens Planer bevorzugen schlichte Standards statt Schmuckpfähle

„Tausend Pfähle für das Viertel“ – allein der Name des Programms klingt schon recht massiv. Da sieht man sie sogleich vor Augen: Lang und dick und stark werden sie den Ostertorsteinweg heraufmarschieren und auch vor den Wohnstraßen nicht haltmachen – die Poller. Was im Viertel ab Herbst geplant ist – im Dienste der umfänglichen „Verkehrsberuhigung“ – haben andere Quartiere schon hinter sich; allen voran die City. Dabei haben die Poller, die scheinbar unscheinbaren, Stück um Stück das Gesicht der Stadt verändert. Wenn jetzt wieder ein Viertel tausendfach gepfählt werden soll, dann ist das für die Stadtplaner zugleich ein weiterer Versuch, die Poller-Invasion samt der einhergehenden Stadtverschandelung doch irgendwie in Grenzen zu halten: Bremen verfügt seit etwa 15 Jahren über Richtlinien, nach denen nur wenige, eher schlichte und billige Poller aufgepflanzt werden sollen; prunkvolle Kitsch- und Nostalgiepfähle haben hier zumeist keine Chance.

„Wo kein Auto stehen soll, muß ein Poller hin“: Nach dieser Devise haben, allen voran, die Stadtplaner in den Niederlanden die eisernen, mal auch steinernen Pfähle hoffähig gemacht. Der massige „Amsterdamer Poller“ (eine umgedrehte Zuckertüte) und der „Groninger“ (mit antikisierendem Profilschaft) werden heute als „Klassiker“ von der Poller-Industrie geführt. Die Bremer aber stehen diesem Kult recht skeptisch gegenüber. Nicht nur, weil man hierzulande die Pfahlzahl möglichst niedrig halten will. Sondern: „Poller sind immer auch ein ästhetisches Problem“, sagt Gottfried Zantke, als Leiter des heimischen Bauamtes mitverantwortlich für das Stadtbild. Und da halten es die Bremer, die ewig maßvollen, wie es ihrem Ruf gebührt. Sie entwickelten einen Bremer Poller, der nun als Standard gilt: glatt, schmal und zylindrisch, „möglichst zurückhaltend, damit er nicht in Konkurrenz zur Architektur tritt“, sagt Zantke; ein schlanker Eisenstab mit einer Kugel obendrauf – „damit man überhaupt von Design sprechen kann“.

Denn so banal der Poller im städtischen Alltag erscheint: die Frage, wie das Ding denn aussehen soll, erschien den Stadtplanern schon früh als recht bedeutsam. Volkrat Stampa vom Amt für Straßen- und Brückenbau gehört zu den Vätern des Bremer Pollers; mit Grausen erinnert er sich an die Zustände in den 70er Jahren. Gußeiserne Poller im Nostalgie-Look drängten auf den neuen Markt; Modelle mit klangvollen Namen wie „Romanze“, „Kaiser-Poller“ und „Wappen-Poller“ und andere Pfähle „im Stil unserer (sic!) Zeit“ flatterten den Bauingenieuren Broschüre um Broschüre auf die Schreibtische – Slogan: „Die Verbindung von Kunst und Zweckmäßigkeit“. Die Kulturkritiker hatten ein anderes Wort darfür: „die neue Schnuckeligkeit“. Dem setzten und setzen Stampa und seine Kollegen hanseatische Schlichtheit entgegen. „Am liebsten würde ich ja überall Naturstein sehen“, sagt der Amtsmann. geht aber nicht: Die ortsüblichen Steinpoller haben einen Durchmesser von 36 Zentimeter – zu dick für Bremens schmale Gassen. Also entwickelten die Amtsleute das Bremer Modell, nur sechs bis acht

Zentimeter stark. Und so schlicht. Aber: „Wie ein Polizeiknüppel“ sollte es auch wieder nicht aussehen – also: die Kugel obendrauf. „Das ist in der Höhe ja wie ein Kinderkopf, den kann man auch mal streicheln“, sagt Stampa.

Damit sollte die Diskussion erledigt sein. Der Bremer Poller, in dezentem marineblau gehalten: ein Pfahl für alle Fälle. So war's gedacht – aber so einfach ging's dann doch wieder nicht. Denn auch die schmalsten Poller, so erkannten die Entscheidungsträger im Planungs- und Bauressort, müssen sich nach der besonderen Gestaltung des jeweiligen Ortes richten. Also hält das Straßenbauamt heute ein, wenngleich schmales, Repertoire formschöner Poller vorrätig. Nebem dem Bremer Poller sind dies ein dicker Granitkegel (für den anspruchsvollen Altstadtplatz), ein schmuckloser Holzpfahl (für zugewachsene Straßenränder mit naturähnlichem Charakter) sowie – der „Amsterdamer“ und der „Groninger“. Denn die gefielen den Bremern dann doch, wie Stampa einräumt. Nur: Den Stückpreis von bis zu 300 Mark, den wollte man nicht zahlen. Also ließ das Bauamt die „Klassiker“ nachbasteln. Statt Naturstein goß man die Groninger Form eben in Beton nach und steuselte ein bißchen Granulatmasse drüber – und bezahlte nur ein Drittel .

Mit dieser Poller-Auswahl rücken die Behörden bis heute den Kreuz- und Querparkern zuleibe. Allen voran der Bremer „Spargel“, wie ihn Zantke liebevoll nennt. Aber es währt eben nichts ewig. Wenn demnächst im Ostertor und Steintor die Pollern anrollen, dann hat sich auch der alte Standardpfahl etwas verändert. Denn die jüngsten Nachkommen sind wenn nicht von Pappe, so doch aus Kunststoff, ganz im Zeichen des Recycling. Und da wendet sich Stampa abermals mit Grausen: „Plastik ist eine gute Idee für Eimer“, sagt er – aber den Pfählen gibt er ein, zwei Jahre, bis sie abgewetzt und angeschrammt sind – falls sie nicht vorher umgenietet werden. Angesichts solcher Stilbrüche lassen die Amtsplaner dann auch ihren innigsten Wunsch frei heraus: „Am liebsten“, sagt Stampa, „würde ich ganz auf die Poller verzichten.“ tom

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