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Kuba bietet USA Gespräche über Flüchtlinge an

■ Zehntausende Kubaner bei Gedenkfeier für getöteten Polizisten / Medien riefen zu Veranstaltung auf / Nach offizieller Bilanz 35 Verletzte bei Unruhen vom Freitag

Havanna (AFP) – Die kubanische Führung hat sich offenbar zum Einlenken im Flüchtlingsstreit mit den USA entschlossen, nachdem Staatschef Fidel Castro am Wochenende mit der Öffnung der Grenzen gedroht hatte. Kuba sei bereit, eine „gemeinsame Lösung“ mit den USA zu suchen, sagte am Sonntag Vizeverteidigungsminister General Ulises Rosales del Toro. Er sprach anläßlich der Gedenkfeier für den Polizisten, der am Donnerstag im Hafen von Havanna offenbar von Flüchtlingen erschossen worden war.

„Wenn die USA zu ehrlichen Verhandlungen bereit sind und mit Kuba ernsthaft über Lösungen für die Flüchtlingsfrage diskutieren wollen, werden wir uns dem nicht verschließen“, sagte General Rosales del Toro. Er erinnerte bei seiner Ansprache auf dem Platz der Revolution an die Drohung Castros mit der Öffnung der Grenzen. Die USA reagierten „sehr beunruhigt“ auf die Möglichkeit einer ähnlichen Massenflucht wie im Jahr 1980, als in kürzester Zeit fast 130.000 Kubaner nach Florida übersetzten.

An der Trauerzeremonie nahmen mehrere zehntausend regierungstreue Kubaner teil. Die Entführung von drei Fährschiffen innerhalb weniger Tage in Richtung USA hatte am Freitag zu den schwersten Unruhen in Kuba seit der Revolution von 1959 geführt. Nach einer am Sonntag veröffentlichten offiziellen Bilanz wurden bei Straßenschlachten 35 Menschen verletzt.

Die Gedenkfeier gestaltete sich zu einem Massenaufmarsch von Castro-Anhängern. Alle kubanischen Medien hatten dazu aufgerufen, zum Platz der Revolution zu kommen. Der Leichnam des 19jährigen Polizisten war im Innenministerium aufgebahrt, Zehntausende Kubaner erwiesen ihm seit den Morgenstunden die letzte Ehre. Unter den Menschen, die an dem Sarg vorbeidefilierten, waren Innenminister Abelardo Colome Ibarra und die Nummer 2 der kommunistischen Führung, Verteidigungsminister Raúl Castro. Staatschef Fidel Castro war bei der Amtseinführung des kolumbianischen Präsidenten Ernesto Samper in Bogotá.

Das Parteiorgan der kommunistischen Jugend in Kuba, Juventud Rebelde, berichtete am Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium, mehrere Urheber der Ausschreitungen seien festgenommen worden. Ihnen würde „mit aller Strenge“ der Prozeß gemacht. Nach Angaben von Juventud Rebelde entstanden im Hafenviertel und auf der Uferstraße Malecon nur geringe Sachschäden. Die Ausschreitungen hätten bereits am Freitag morgen begonnen, als 21 Ausreisewillige erneut versucht hätten, ein Schiff zu entführen.

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