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Aktienreiten

■ Helfen Kirch und Murdoch Berlusconi aus der Patsche?

Die Preisfrage lautet: Wie verkauft man ein Wirtschaftsimperium, ohne es zu verkaufen? Oder auch: Wie entledigt man sich nominell eines Medienmonopols, ohne die Kontrolle darüber zu verlieren? Silvio Berlusconi, Eigentümer von drei privaten Fernsehkanälen, hat sich als Regierungschef und per Dekret nun auch zum Herrscher über das staatliche Fernsehen RAI aufgeschwungen. Jetzt steht er vor der Notwendigkeit, seinem Volk (und später vielleicht auch europäischen Antitrustkommissionen) weiszumachen, er sei weder der Monopolist im Privat-TV Italiens noch sonstwie Herrscher über meinungsbildende Einrichtungen wie Zeitungen und Magazine.

Die Lösung der Frage wird immer brennender – weniger allerdings aus juristischen Gründen, denn Italien hat weder ein Antitrustgesetz, noch verbietet das geltende Mediengesetz die derzeitige Konzentration in Berlusconis Händen. Um so mehr Probleme hat der Regierungschef aus politischen Gründen: Reiht sich doch ein Patzer an den anderen, und fast alle haben mit dem Medienmonopol zu tun.

Jüngst fiel ihm ein, die Meriten seiner Regierung per Werbespots „sinnlich“ zu machen, nicht nur in seinen eigenen Kanälen, sondern auch denen des staatlichen Fernsehens RAI, das seit einem neuen Erlaß weitgehend von der Regierung abhängig ist.

Daraufhin verbot der Parlamentsbeauftragte für das Pressewesen die Ausstrahlung des Eigenlobs in der RAI. Und Staatsanwälte ermitteln, ob das Senden auf Belusconis Kanälen als widerrechtlicher Einsatz öffentlicher Gelder anzusehen ist (falls die Werbezeit bezahlt wird) oder als Bestechungsversuch (falls die Sender die geldwerte Ausstrahlung kostenlos besorgen).

Mit Berlusconis Image geht es in den letzten Wochen rasant bergab, und so sucht er nun irgendwie den gordischen Knoten durchzuhauen. Der befreiende Schlag ist, so hofft er jedenfalls, nun nahe. Das Rezept hat auch schon einen Namen – den allerdings haben ihm seine Gegner gegeben: „Aktienreiten“. Der Name entstammt freilich weniger einem sportlichen Ereignis denn einer anrüchigen Praxis wenig liquider Finanzjoungleure. Sie verbergen ihre Geldnöte, indem sie täglich in einer längeren Reihe von Banken Schecks der jeweils anderen Geldinstitute einreichen. „Aktienreiten“ bedeutet, die wahren Finanz- und Eigentumsverhältnisse zu verschleiern, zumindest zu vernebeln, wer wo das Sagen hat.

Partner Berlusconis in diesem munteren Spielchen sollen ausländische Kollegen sein, speziell solche aus der Medienbranche. So hat der australische, in seiner Heimat unumschränkt, in England und den USA mitherrschende Tycoon Rupert Murdoch angeblich „hohes Interesse am Kauf von Teilen der Fininvest“ – der Superholding Berlusconis – gezeigt. Neuerdings kommt auch Deutschlands Filmhändler, TV-Besitzer und Springer-Großaktionär Leo Kirch dazu. Er läßt zur Zeit „die Lage bei Berlusconi prüfen“ und will ebenfalls gerne das eine oder andere Anteilspaket übernehmen.

Betriebswirtschaftlich bringt Ausländern der Einstieg in Italien nur mäßige Vorteile: einige Sendegebiete in den ehemaligen Ostblock hinein (nach Albanien, Bulgarien und die Länder des zerfallenen Jugoslawien) sowie in den mittleren Maghreb; dazu die Senderechte für eine Reihe von Fernsehfilmen, die Berlusconi produziert hat, manche davon auch in Koproduktion mit staatlichen Sendern des Auslands. Doch all das wären für Kirch oder Murdoch allenfalls Appetithäppchen.

Der Sinn der Aktion, kommt sie denn zustande, ist daher auch weniger ökonomisch als vielmehr politisch: Es entsteht eine Art mobiler Eingreif-Fonds für unter Druck geratene Medien-Tycoons. Wo immer Antitrustbehörden ermitteln oder die Trennung eines Moguls von seinem Eigentum gefordert wird, stehen die „Käufer“ von jenseits der Grenzen bereit, übernehmen den beanstandeten Teil und ziehen den Kollegen damit aus der Schußlinie.

Berlusconis Mitarbeiter bestreiten ein derartiges Bäumchen- wechsel-dich-Spiel natürlich heftig. „Nie kann er es euch recht machen“, schimpft sein Regierungs- Lautsprecher Giuliano Ferrara auf lästige Nachfrager ein, „verkauft er nicht, murrt Ihr über Interessensverflechtungen; verkauft er, dann wollt ihr auch noch bestimmen, an wen.“

Auch die Frage, warum Berlusconi sich, kommt es zum Verkauf, ein Rückkaufsrecht vorbehalten will – was die reale Trennung der Interessen sofort wieder in Frage stellen würde –, beantwortet er mit einem entrüsteten „Na, Ihr habt vielleicht Hintergedanken!“

Dafür zieht er den Kopf ein, als die logisch folgende Frage nachgeschoben wird: ob Berlusconi sich im Gegenzug ein Aktienpaket von Kirch oder Murdoch kaufen werde? „Also das geht wirklich zu weit – was Berlusconi mit seinem Geld macht, wenn er eine oder mehrere seiner Firmen verkauft, steht doch überhaupt nicht zur Debatte.“ Werner Raith, Rom

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