: Taslima Nasrins Flucht vor der Fatwa
■ Zehn Monate nach den ersten Todesdrohungen gegen Taslima Nasrin hat die Schrifstellerin Bangladesch verlassen. Die Gefahr für ihr Leben scheint gebannt, sie ist in Sicherheit. Und doch: Die ...
Zehn Monate nach den ersten Todesdrohungen gegen Taslima Nasrin hat die Schrifstellerin Bangladesch verlassen. Die Gefahr für ihr Leben scheint gebannt, sie ist in Sicherheit. Und doch: Die islamistischen Radikalen haben sich durchgesetzt, Taslima Nasrin ist weg. Die Gegner der islamischen Fundamentalisten empfinden ihren Abgang als Niederlage.
Taslima Nasrins Flucht vor der Fatwa
Die Feministin und Schriftstellerin Taslima Nasrin hat aufgegeben. Nach Monaten der Verfolgung durch islamische Extremisten in Bangladesch hat die 32jährige Ärztin jetzt unter zunächst strengster Geheimhaltung ihrem Land den Rücken gekehrt und ist vor den Todesdrohungen der Fundamentalisten ins schwedische Exil geflohen. Die Extremisten in Dhaka, die Taslima Nasrin der Blasphemie bezichtigt hatten, können jubilieren. Sie haben einen politischen Sieg errungen, dessen politische Folgen noch gar nicht abzuschätzen sind.
Taslima Nasrin hatte die fundamentalistische Männerwelt in ihrem Land unter anderem mit Forderungen nach größerer sexueller Freiheit für muslimische Frauen schockiert. „Wenn das islamische Gesetz einem muslimischen Mann vier Frauen gestattet, warum sollten Frauen dann nicht das Recht auf ebenso viele sexuelle Partner haben“, schrieb sie in ihrem jüngsten Roman „Schande“.
Die Autorin ist nicht die erste Intellektuelle, die in Bangladesch von islamischen Extremisten verfolgt wurde. Bereits 1973 mußte der im Westen weitgehend unbekannte Dichter Daud Haider in Indien Zuflucht suchen, weil ihn islamistische Extremisten wegen eines angeblich gotteslästerlichen Gedichts verfolgten. In den vergangenen Jahren gerieten noch mehrere Schriftsteller und Publizisten unter den Druck der Fanatiker. Sie leben in ständiger Angst, seit sie von den Extremisten als „Murtads“, also als Abtrünnige des Glaubens, denunziert wurden.
Zu den prominentesten Opfern der Islamisten gehört der 62jährige Literaturprofessor Ahmed Sharif, der im letzten Jahr Polizeischutz erbitten mußte, als radikale Gruppen zu seiner Verfolgung aufriefen. Er hatte in einer Rede vor Autoren den religiösen Fundamentalismus als fortschrittsfeindlich gebrandmarkt. Auf sein Haus wurde ein Bombenanschlag verübt, und islamistische Gruppen forderten seine Hinrichtung.
Die 82 Jahre alte Dichterin Sufia Kamal geriet unter Beschuß der religiösen Radikalen, als sie es wagte, das poetische Werk des indischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore mit „religiösen Gebeten“ zu vergleichen. Für einige islamische Geistliche war das blasphemisch – die Werke eines „Nichtgläubigen“ dürften niemals mit islamischen Gebeten gleichgesetzt werden.
Heftig kritisiert wurden wegen ähnlicher „Verbrechen“ auch Autoren und Literaturwissenschaftler wie Kabir Chowdury, der Schriftsteller Showkat Osman und der in Bangladesch bekannte Maler Kamruf Hasan, dessen Bilder als „antireligiös“ eingestuft wurden. Und der vermutlich bekannteste Dichter in Bangladesch, Shamsshur Rahman, sagt: „Wir leben wegen des wachsenden Fundamentalismus in diesem Land in einer Atmosphäre andauernder Angst.“
Die jüngsten Erklärungen der Islamisten machen die Furcht verständlich. „In Bangladesch ist kein Platz für Atheisten und Ungläubige“, meint etwa der radikale Geistliche Mufti Fazlul Huq Amini, der in den vergangenen Monaten den Feldzug gegen Taslima Nasrin anführte, „wir werden Bangladesch zu einem islamischen Land machen und alle Ungläubigen aufhängen.“ Ahmed Fazl (dpa), Dhaka
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