Kein Asyl für unprominente Bangladescher

■ In diesem Jahr wurde noch kein einziger Flüchtling in Deutschland anerkannt

Noch bevor bekannt wurde, daß sich Taslima Nasrin in Stockholm aufhält, bekräftigte das Auswärtige Amt gestern erneut, daß sie jederzeit in der Bundesrepublik Aufnahme finden könnte. Wäre aber Taslima Nasrin nicht die bekannte Schriftstellerin, die sie ist, und hätte sie als unbekannte Frau aus Bangladesch hier offiziell Asyl beantragt – ihre Chance auf Anerkennung wäre gleich Null gewesen. Im ersten Halbjahr 1994 wurde über 178 Asylanträge von Bürgern Bangladeschs entschieden. Nicht ein einziger wurde als asylberechtigt anerkannt.

Mitte der achtziger Jahre lag Bangladesch noch mit an der Spitze der Herkunftsländer. Jetzt sei die Zahl der Flüchtlinge aus Bangladesch „nicht mehr nennenswert“, sagte gestern Wolfgang Weickhardt vom Bundesamt für Anerkennung von Flüchtlingen. Die Behörde sah sich deshalb auch nicht in der Lage, statistisches Material zu veröffentlichen.

Genauere Zahlen hat Stefan Telöcken von der UN-Flüchtlingskommission. In Deutschland laufen derzeit noch rund tausend Verfahren. Aber weder „erste Anträge“ noch Folgeanträge auf Asyl, weder das politische Asyl nach dem Grundgesetz noch das „kleine Asyl“ nach dem Ausländergesetz haben Aussicht auf Erfolg.

Dabei hat sich die Lage der Menschen in Bangladesch keineswegs verbessert. Jamal aus Bangladesch lebt in Berlin. Er berichtet von Korruption und dem steigenden Einfluß der Fundamentalisten in seiner Heimat – vor allem der Islamischen Studentenfront. Viele Eltern hätten Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken.

Auch die Menschenrechtsorganisation amnesty international klagt in ihrem Jahresbericht 1993 über eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen. Es „wurden erneut mehrere hundert Kritiker und Gegner der Regierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert“. 1993 seien mindestens vier Inhaftierte an Folterungen gestorben.

Sven Christian