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Exodus aus der bosnischen Enklave Bihać

■ Muslimisch-kroatische Föderation bietet abtrünnigem Abdić Gespräche an / UNO droht bosnischer Armee und Serben / Kämpfe in Sperrzone um Sarajevo

Sarajevo/Zagreb (dpa/AFP) – Die Zerschlagung der muslimischen Autonomiebewegung durch die bosnische Regierungsarmee hat in der Enklave Bihać einen Exodus verängstigter Zivilisten ausgelöst. Mehrere tausend Zivilisten – Anhänger oder Verwandte der Autonomisten – im nördlichen Teil der Enklave flohen gestern in panischer Angst vor den heranrückenden Regierungstruppen. Nach UNO-Schätzungen waren weit über fünftausend Zivilisten sogar auf serbisch kontrollierte Gebiete im benachbarten Kroatien ausgewichen.

Knapp zehntausend Flüchtlinge aus Autonomisten-Bastionen versammelten sich bei der Stadt Velika Kladuša. „Aber die dort stationierte 6. Brigade der Autonomisten hat bereits größtenteils die Stadt verlassen und selbst Verwundete und Kriegsgefangene zurückgelassen“, sagte ein Sprecher des UNO-Hauptquartiers in Zagreb. Nach unbestätigten Berichten aus Zagreb hielt sich der Anführer der Autonomisten, der Wirtschaftsmanager Fikret Abdić, weiter in Velika Kladuša auf. Abdić hatte sich im Vorjahr von der Führung in Sarajevo losgesagt und die Autonomie der Enklave ausgerufen.

Das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) sowie die Blauhelme bemühten sich um Versorgung und Schutz der Flüchtlinge. „Unsere Truppen kümmern sich um die Zivilisten, die sich jetzt in der Krajina im UNO-Sektor Nord aufhalten“, sagte ein UNO-Sprecher. Die kroatischen Serben hätten bisher auf die Anwesenheit der Muslime auf ihrem Gebiet nicht reagiert. „Offenbar sollen wir die ganze Arbeit übernehmen“, sagte ein UNO-Sprecher.

Unterdessen bot die muslimisch-kroatische Föderation Abdić Gespräche an. Der Präsident der Föderation, Kresimir Zubak, schlug Verhandlungen über eine bedingungslose Aufgabe der Abtrünnigen vor.

Scharfe Töne schlug unterdessen die Führung der UNO-Truppen in Sarajevo an die Adresse der Bosnier und Serben an. Nachdem schwere Kämpfe der beiden Seiten im Norden der bosnischen Hauptstadt in den vergangenen Tagen wiederholt auf die 20-Kilometer- Sperrzone um Sarajevo übergegriffen hatten, drohte UNO-General Michael Rose sowohl den Serben als auch den Bosniern im Wiederholungsfall sofortige Luftangriffe der Nato an. „Sollten die Artillerieduelle (in der Sperrzone) fortgesetzt werden, hat General Rose den Einsatz aller verfügbaren Mittel angedroht“, sagte ein UNO-Sprecher. Erstmals wurden damit auch den Bosniern Luftangriffe angedroht. Zuletzt hatten Nato-Flugzeuge am vergangenen Freitag serbische Stellungen bei Sarajevo angegriffen.

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