: Taslima Nasrin im schwedischen Exil
■ Schriftstellerin verließ Bangladesch wegen der Morddrohungen islamischer Fundamentalisten
Dhaka/Berlin (AP/taz) – Ihre Abreise aus Bangladesch erfolgte stillschweigend. Gestern ist die Schriftstellerin und Feministin Taslima Nasrin in Schweden eingetroffen, wo sie sich an einem geheimgehaltenen Ort aufhält. „Ich bin nach Schweden gekommen, um mich zu erholen und zu arbeiten“, sagte sie in einer kurzen Erklärung. Gleichzeitig dankte sie allen, die sie in ihrem Land und im Ausland unterstützt hatten. Die Außenministerin des skandinavischen Landes, Margarethe af Ugglas, begrüßte, daß die 32jährige ihr Land auf „legale Weise“ habe verlassen können. Schweden habe sich zusammen mit anderen Ländern lange für sie eingesetzt.
Die Ministerin wollte sich aber zunächst zu den Einzelheiten der Reise Taslima Nasrins nur so weit äußern, daß diese mit einem Touristenvisum eingereist sei und eine Einladung des schwedischen PEN- Clubs für sie vorliege. Allerdings ist die Schriftstellerin von den PEN-Clubs einer ganzen Reihe von Ländern eingeladen worden. Wie lange sie in Schweden bleiben wollte, war zunächst unklar.
Ob Taslima Nasrin in den nächsten Tagen nach Norwegen weiterreisen wird, um dort im September an einem Schriftstellerkongreß teilzunehmen, zu dem norwegische KollegInnen sie eingeladen haben, blieb ebenfalls offen. Die Vorsitzende des norwegischen PEN-Clubs, Toril Brekke, erklärte, Schriftsteller ihres Landes hätten sich darum bemüht, Nasrin zu helfen. Norwegen hatte sich auch schon im Fall des bedrohten Salman Rushdie besonders eingesetzt.
In Dhaka sagte Außenminister Azimuddin Ahmed gestern: „Es stand ihr offen, zu gehen, wohin sie wollte, und das hat sie getan.“ Nach Angaben eines Sprechers von Innenminister Abdul Matin Chowdhury trat die Spitze des Ministeriums gestern zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Beobachtern zufolge ist damit zu rechnen, daß Premierministerin Khaleda Zia unter Druck von seiten rechter und fundamentalistischer Kreise in der Opposition – aber auch aus ihrer eigenen Partei – gerät, die ihr vorwerfen, die Abreise nicht verhindert zu haben.
In den letzten Tagen hatte sich in Bangladesch die Vermutung verdichtet, daß die von muslimischen Fundamentalisten bedrohte Frau sich tatsächlich dazu entschließen würde, zumindest eine Zeitlang ins Ausland zu gehen. Ihre Familie schirmte sie gegenüber der Öffentlichkeit ab und ließ mitteilen, daß die junge Frau sehr verängstigt und erschöpft sei.
Taslima Nasrin, gegen die Anfang Juni Haftbefehl erlassen worden war, weil sie nach Ansicht der Regierung „die Gefühle der Muslime verletzt“ hatte, war in der vergangenen Woche nach zweimonatigem Untertauchen vor dem Obersten Gericht in der bangladeschischen Hauptstadt erschienen. Nachdem sie eine Kaution hinterlegt hatte, hob der Richter den Haftbefehl wieder auf. Nach Auskunft ihrer Anwälte hat weder das Gericht noch die Regierung diese Entscheidung mit einer Beschränkung ihrer Reisefreiheit verbunden.
Der gegen die Frauenrechtlerin anstehende Prozeß, in dem über ihre Kritik an der frauenfeindlichen Anwendung islamischer Rechtsvorschriften geurteilt werden soll, ist auf einen späteren Zeitpunkt vertagt worden. Der zuständige Staatsanwalt hat erklärt, daß die Vorbereitung des Prozesses voraussichtlich mindestens vier oder fünf Monate dauern werde. Unabhängig davon besteht auch im Exil die von Fundamentalisten gegen Nasrin verhängte Fatwa fort. li Seiten 3 und 10
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