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Fraternisieren im Museum

Auch Amis und Briten aßen mit Messer und Gabel: Anfang September wird Helmut Kohl die Schutzmacht-Show über die Westmächte eröffnen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Das Gewicht, mit dem das neue Alliierte Museum seine erste Ausstellung zur Geltung bringen will, heißt Helmut Kohl. Kein geringerer als der freiheitsliebende Dicke wird am 3. September die Schutzmacht-Show „Mehr als ein Koffer bleibt – Die Westmächte in Berlin 1949 bis 1994“ im ehemaligen amerikanischen Kino „Outpost“ an der Clayallee eröffnen. Mit Rumtata, guter Laune und nostalgischen Reden auf die glorreiche Kalte Kriegszeit kann dann ein letztes Mal lebendig fraternisiert werden. Das läßt sich der Kanzler nicht entgehen. Denn fünf Tage später ziehen die alliierten Truppen endgültig aus der Frontstadt ab. Das Nachkriegskapitel aus Rosinenbomber und Boyfriends, Tattoo und Schottenrock, Froschschenkelessen und Häuserkampf mit Realballermännern in Geisterstädten geht für Berlin zu Ende.

Zurück bleibt ein Museum mit total wichtigen Fundstücken aus der fremden Welt der Alliierten. Damit die Beziehungen Berlins zu den Westmächten im Gedächtnis eingeschweißt bleiben, beschlossen Bund, Länder und Berlin das Freundschaftsmuseum zu installieren, für das eine internationale Expertenkommission aus Historikern und Militärs ein Konzept entwickeln soll. Nach dem ersten Probelauf der alliierten Schätze soll dann das Museum unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums (DHM) als eigenständige Außenstelle bestehen bleiben.

Schon der Ort, das „Outpost“- Kino in der Nachbarschaft zum Drive-in von Doppelwhopper Donald's, ist bedeutsam authentisch: „Dort spielte sich der Alltag ab. Dort spürt man noch die gelebte Geschichte – zumindest der Amerikaner“, sagt die Museums-PR- Agentin Cornelius. Um den Alltag so richtig zu spüren, kommt er als Dokumentation unter Glas ins Kinodunkel: fein säuberlich abgelegt, aufgereiht und registriert, natürlich freundschaftlich. Man erfährt alltagsmäßig, daß die Amis und Tommys mit Messer und Gabel essen konnten und auch sonst Geschirr benutzten. Wer hätte das gedacht. Konservendosen und Kleider, Fahnen und unveröffentlichte Urkunden spielen auch mit. Man habe das Zeug den packenden GIs und Frenchies förmlich vom Packesel reißen müssen, meint Helmut Trotnow, musealer Truppenbetreuer aus dem DHM.

Natürlich lebten die Militärs in der Frontstadt gefährlich, ständig vom Feind bedroht. Auf dem angrenzenden Freigelände zu sehen sein werden im Bewußtsein „fest verankerte“ Großobjekte wie das Wachthäuschen am Checkpoint Charlie, der Panzer, dessen Mündung im Oktober 1961 an der Sektorengrenze in Richtung Osten zielte und der Schokohelikopter „Spirit of Steinstücken“, der die Bewohner der Exklave mit Schokoriegeln bombardierte, erzählt Cornelius.

Verwaltungskrach mit dem Senat oder Russenkoffer gibt's natürlich nicht zu sehen. Die bösen Buben von der anderen Seite müssen leider draußenbleiben. Weder waren sie Schutzmacht, noch liebten sie die Berliner so richtig. Aus geschichtlichen Gründen halten die Experten die Einbeziehung nicht für nötig. Muß ja auch nicht sein. Die Roten haben ja ein eigenes Museum in Karlshorst mit dem schönen Titel: Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands. Und wer räumt schon eine solche Asservatenkammer.

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