: Ganz gemein gegen die Gemeinden
■ Kommunen von Bürgern und Bund in Zange genommen
Berlin (taz) – „Ehemaliges Rathaus, voll möbliert, in erstklassiger Lage, preiswert abzugeben“. Dieser Ausverkauf einer Gemeinde, inszeniert im Immobilienteil einer Zeitung, bleibt vorerst Fiktion. Doch die Kommunen sehen sich zunehmend in finanzieller Bedrängnis, in die sie Begehrlichkeiten der Gesetzgeber sowie – ein neuer Trend – der Bürger bringen.
Dabei hat vor allem der Bund der Steuerzahler (BdSt) als Verbraucherlobby von sich reden gemacht. In der vergangenen Woche hat die Organisation mit einem Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts Münster für Aufsehen gesorgt, das den Kommunen in Nordrhein-Westfalen einen Strich durch ihre Abwasser-Abrechnungen macht. Eberhard Kanski, Haushaltsreferent beim BdSt Nordrhein-Westfalen, hat errechnet, daß der Richterspruch die Kommunen in seinem Bundesland 500 Millionen im Jahr kosten wird. „Und das Eis ist für ähnliche Klagen in anderen Bundesländern gebrochen“, prophezeit Kanski. Im Zuge des Münsteraner Urteils registriert er eine steigende Bereitschaft, sich mit öffentlichen Ver- und Entsorgern anzulegen.
Einen solchen Trend zum „zivilen Ungehorsam“ beobachtet auch Bernd Weiß, Kämmereileiter in Frankfurt am Main. Die Konsequenzen, die ein Urteil analog zu dem Spruch von Nordrhein-Westfalen für seine Stadtkasse haben könnte, ließen sich noch nicht beziffern, sagt er. Was seine Mitarbeiter jedoch bereits kalkuliert haben, sind Mehrkosten, die der Bund eventuell auf Städte und Gemeinden abwälzen wird.
Zum Beispiel für den Fall, daß der Vorschlag von Bundesfinanzminister Theo Waigel Realität würde, die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre zu begrenzen. Frankfurt würde das bei einem Gesamtbudget von 6,3 Milliarden Mark im Jahr jährlich rund 47 Millionen kosten, sieht Weiß voraus. Bundesweit würden durch einen solchen Schritt rund 300.000 Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern. „Hier kommen die Kommunen für Defizite in der Wirtschaftspolitik auf“, beklagt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Ein weitere, für die Kommunen schlecht kalkulierbare Größe ist die Garantie auf einen Kindergartenplatz ab 1996, die der Bundesgesetzgeber im Zuge der Reform des Abtreibungsparagraphen 218 beschlossen hat. Frankfurt müßte im Vorfeld 110 Millionen investieren und weitere 45 Millionen jährlich für die Betriebskosten bereithalten, sagt Weiß. Auf bundesweit 20 Milliarden Investitionskosten und weitere vier Milliarden pro Jahr an Betriebs- und Personalkosten schätzt Ludwig Fuchs, Sozialreferent beim Deutschen Städtetag, die aus der Kitaplatz-Garantie entstehenden Kosten für die Kommunen.
Da ist der Vorschlag von FDP- Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, die Gewerbesteuer zu streichen, nur noch das Sahnehäubchen. Diese ist, besonders für die Großstädte, die ergiebigste Steuerquelle der Kommunen, aus der ein Drittel ihrer Steuereinnahmen sprudelt. Außerdem eröffnet die Gewerbesteuer, die die Kommunen per Hebesatz selbst gestalten können, ein Instrument zur Ansiedlungssteuerung. Der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fürchtet bei dem Wegfall dieser Geldquelle um den Einfluß und letztlich die Selbstverwaltung der Kommunen.
Deren Ende wäre spätestens dann erreicht, wenn Städte und Gemeinden zahlungsunfähig würden. „Wenn die Entwicklung anhält, müssen wir auch darüber reden“, ahnt der Frankfurter Kämmereileiter Weiß. si
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