■ Europa muß sich einmischen
: Gegen Isolationismus

In einer Welt, die immer komplexer wird und in der die Krisen sehr unterschiedliche Formen annehmen, ist keine europäische Macht allein in der Lage, im Ausland zu intervenieren, sei es, um humanitäre Missionen abzusichern, um Frieden zu schaffen oder um Frieden zu erhalten. Die Vereinten Nationen, in die große Hoffnungen gesetzt wurden, haben versagt, in Somalia, im ehemaligen Jugoslawien, in Ruanda. Seit diesem Scheitern ist klar – wenn man das Feld nicht völlig den USA überlassen will, die zudem diese „Ehre“ gar nicht wollen –, daß es den regionalen Organisationen zukommt, für die Sicherheit in ihren Einflußzonen zu sorgen. Sie allein haben die nötige Sensibilität und das notwendige Interesse, einzugreifen. Die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung trägt diesem Anspruch Rechnung.

Im Gegensatz zu dem, was eine gewisse pazifistische Diskussion glauben läßt, die vor allem in Deutschland en vogue ist, kann es sich die Europäische Union ganz und gar nicht leisten, sich nicht darum zu kümmern, was sich außerhalb ihrer Grenzen abspielt. Dieser Isolationismus übersieht die Auswirkungen, die Krisen „irgendwann“ auf die Stabilität der EU haben werden. Die Destabilisierung Osteuropas oder Afrikas hat sogar sehr direkte Auswirkungen, beispielsweise auf die Flüchtlingsströme und so auch auf die Belastbarkeit unseres sozialen Netzes.

Glaubt jemand, wir können zulassen, daß vor unseren Türen immer neue Völkermorde passieren, ohne daß dadurch die Fundamente unserer eigenen Gesellschaft in Gefahr geraten? Es wäre auch falsch zu glauben, daß etwa das, was in Afrika passiert, nur die alten Kolonialmächte etwas angeht. Die Abschaffung der europäischen Binnengrenzen wie auch die Beschleunigung der Kommunikationsmittel haben zur Folge, daß jeder Konflikt, wo auch immer er ausbricht, in gleicher Weise Schweden und Spanien, Deutschland und Irland betrifft. Die Sicherheit der EU ist heute eine gemeinsame Aufgabe.

Die Krisen seit dem Ende des Kalten Krieges zeigen, daß die Gefahr neuer Kriege noch nie so groß war – dabei sollte doch der Sturz des Kommunismus den Beginn des Friedens bedeuten. Wenn die EU den Frieden fördern kann, dann sicher nicht durch den Verzicht auf ihre Verteidigung und auf ihre politische und diplomatische Rolle in der Welt. Jean Quatremer

Der Autor ist EU-Korrespondent der französischen Zeitung „Libération“.