Todesstrafe für Mord an Lissy Schmidt

Ein Gericht im Nordirak verurteilt zwei Kurden, weil sie die Journalistin und ihren Begleiter erschossen haben sollen / Die Angeklagten ziehen vorherige Geständnisse zurück  ■ Aus Sulaijmania Rizgar Dostani

Als die Urteile verkündet wurden, kam im Gerichtssaal im kurdischen Sulaijmania tosender Applaus auf. Wegen Mordes an der deutschen Journalistin Lissy Schmidt und ihres kurdischen Leibwächters Aziz Qadir Faraj verurteilte am Freitag ein Strafgericht in Irakisch-Kurdistan zwei Kurden zum Tode durch den Strang. Das zweithöchste Gericht des seit Frühjahr 1991 selbstverwalteten Gebiets hatte über das Schicksal von fünf Männern und einer Frau zu entscheiden, die Morde und Bombenanschläge verübt haben sollen.

Zu Verhandlungsbeginn kam es zu tumultartigen Auseinandersetzungen. Hunderte Zuschauer drängten in den Gerichtssaal, der nur über 80 Sitze verfügt. Gerichtspräsident Hakim Latif Taha unterbrach mehrfach die Verhandlung, um den Andrang zu unterbinden. Am Ende des Prozesses zeigte er sich davon überzeugt, daß der 32jährige Zeki Said Abbas und der 37jährige Ismail Muhammad Mustafa die Journalistin und ihren Begleiter ermordet haben. In der Urteilsbegründung heißt es, am 3. April dieses Jahres seien die beiden Kurden den Autos einer deutschen Delegation gefolgt. Sie hätten beobachtet, wie die Journalistin wegen einer Autopanne mit ihrem Leibwächter zurückkehrte. Abbas und Mustafa hätten das Fahrzeug überholt und während der Fahrt auf die Insassen gefeuert. Auftraggeber für den Anschlag sei der irakische Geheimdienst.

Die 35jährige Lissy Schmidt, die wegen ihrer prokurdischen Berichterstattung aus der Türkei ausgewiesen worden war, lebte seit drei Jahren im Nordirak. Die beiden Verurteilten wurden wenige Tage nach dem Attentat an der irakischen Demarkationslinie bei Chamchamal von der kurdischen Sicherheitspolizei festgenommen. Bei ihrer Verhaftung legten sie umfassende Geständnisse ab und erklärten, für die Tat aus Bagdad bezahlt worden zu sein. Am Freitag widerriefen sie diese Aussagen jedoch. Vor den Richtern bestätigten sie zwar die Echtheit ihrer Unterschriften unter den damals erstellten Protokollen, beschuldigten aber „hohe Parteifunktionäre“, ihnen ein Geständnis nahegelegt zu haben, um das Strafmaß zu mindern.

„Im Namen Gottes“, begann der Verwaltungswissenschaftler und Vater zweier Kinder, Abbas, seine Aussagen. „Wir haben für den irakischen Geheimdienst gearbeitet, die Verbindungen liefen aber über (kurdische) Parteien.“ Mit dem Attentat wollte er nichts zu tun haben. Davon zeigte sich jedoch selbst der vom Gericht bestellte Verteidiger Safuat Rashid wenig überzeugt. Zur Verteidigung seiner Mandanten brachte der Jurist, der Mitglied des kurdischen Menschenrechtsvereins ist, nur den Widerruf der Geständnisse vor. Später verwies er gegenüber der taz auf den Detailreichtum der nach der Verhaftung gemachten Aussagen. Es sei unmöglich, „daß jemand soviele Einzelheiten nennen kann, der die Tat nicht begangen hat“.

Die Kurdin Hezhar Sherif Qadir wurde ebenfalls zum Tode verurteilt. Gemeinsam mit ihrer Tochter soll sie am 13.12.1993 einen Anschlag auf die französische Hilfsorganisation Handicap International begangen haben. Dabei wurden ein 16jähriger Junge getötet und elf Personen verletzt. Die 37jährige Mutter von fünf Kindern war Mitte April mit 650 Gramm TNT in der Tasche verhaftet worden. Nach eigenen Aussagen wollte sie den Sprengstoff in einem Krankenhaus deponieren. Drei weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und zehn Jahren, weil sie im Auftrag des irakischen bzw. des iranischen Geheimdienstes Anschläge geplant haben sollen.

Laut dem 1992 von der kurdischen Regionalregierung verabschiedeten „Ausländer-Schutz- Gesetz Nr. 6“ steht auf Mord an Ausländern und Mitarbeitern ausländischer Hilfsorganisationen die Todesstrafe. Die am Freitag gesprochenen Urteile müssen binnen eines Monats vom Obersten Gerichtshof in der kurdischen „Hauptstadt“ Arbil bestätigt werden. Mit einer Strafmilderung rechnet jedoch niemand. Denn grundsätzliche Zweifel der an Todesstrafe hat in Irakisch-Kurdistan nicht einmal der Menschenrechtsverein.