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Kein Speichern unter dieser Nummer

Bremer Gericht: Speichern der Telefonnummern ist ein Eingriff in die Grundrechte / Die Telekom muß gespeicherte Nummern nach spätestens vier Tagen wieder löschen  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Das Bremer Oberverwaltungsgericht hat in einem Pilotverfahren der Telekom eine grundgesetzwidrige Praxis nachgesagt: Das Speichern der Nummer angerufener Personen, so das Gericht, sei ein Eingriff in das Grundrecht. Das Fernmeldegeheimnis Art. 10, so das Gericht, schütze nicht nur den Inhalt von Telefongesprächen, sondern auch die Tatsache des Gesprächs selbst: Nur noch vier Tage, bis die Daten für die Rechnungserstellung gebraucht werden, darf die vollständige Nummer der Angerufenen gespeichert werden.

Recht zufrieden mit dem Richterspruch präsentierte sich gestern der Bremer Datenschutz-Experte Herbert Kubicek. Er hat seit den 80er Jahren gefordert, die neuen ISDN-Dienste nur mit einem weitreichenden Datenschutz zu erlauben. Telekom und Bundespostministerium hatten dies bisher abgelehnt mit der Begründung, aus technischen Gründen seien die Speicherungen erforderlich. Das Bremer Gericht verfügte nun, daß die Nummer durch Löschung der letzten drei Ziffern unkenntlich gemacht werden muß. Bis zum 10. September hat die Telekom Zeit, vor dem Bundesverwaltungsgericht in Revision zu gehen.

Die Bremer Strafverteidiger Horst Wesemann und Martin Stucke hatten 1990 verlangt, daß bei der Telekom nicht registriert und gespeichert wird, wenn jemand von einem ISDN-Telefon aus in ihrer Kanzlei anruft. Mandantengespräche seien dann nicht mehr mit dem erforderlichen Vertrauensschutz versehen, argumentierten sie. Laut Fernmeldeanlagengesetz kann eine staatliche Behörde ohne besondere Begründung die Herausgabe der Telekom-Daten verlangen und z.B. Strafverteidiger systematisch in Schleppnetzfahndungen einbeziehen. Die Telekom lehnte das Begehren damals ab und hatten Erfolg damit: „Die Speicherung der Nummern als Zielnummern stellt keinen Eingriff in Art. 10 Grundgesetz dar“, formulierten die Verwaltungsrichter 1991. Diese Rechtsauffassung hat sich 1992 im Zusammenhang des sog. Fangschaltungs-Gesetzes geändert: Das Bundesverfassungsgericht entschied, daß auch die Speicherung der Nummern als „Eingriff“ zu werten sei. Die Telekom wollte daraus zunächst keine Schlußfolgerungen ziehen.

Der Hintergrund ist ein ökonomischer: Für die Zukunft will die Telekom sich vorbehalten, die Gebühren etwa für Großkunden weiter zu differenzieren, um nach dem Ende des Postmonopols in einen Preiswettbewerb mit privaten Anbietern eintreten zu können. Zudem können über ISDN auch Datenpakete bis hin zu digitalisierten Filmen „überspielt“ werden, die höheren Summen auf den Telefonrechnungen erfordern dann andere Nachweise. Diese Entwicklung allein mit technischen Sachzwängen zu begründen, untersagen jetzt die Richter: Der Gesetzgeber muß eine „Entscheidung über den Technikeinsatz selbst verantworten“, formulierten sie — mit allen datenschutzrechtlichen Folgen. (Az.: OVG 1 BA 39/92)

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