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Das Komponisten-Kollektiv

■ Zeitlos: die erste Single von den Popcorelern „Sandcastle 5“

Aus der Sandkiste kennen sie sich zwar nicht, aber immerhin schon ewig lange: Vor fünf Jahren wagten sich obskure Sandcastle-Urformationen an Düster-Wave, seit vier Jahren sind die Sandmänner komplett. Bis neben den üblichen Bremen- und Umzu-Konzerten dann etwas mehr passierte, dauerte es dann noch ewig, aber als Sandcastle 5-Mitglied schätzt man eher das Konstante, Bedächtige als den Schnellschuß. Kai-Claus, am Sandcastle-Bass: „Statt alle drei Monate ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, geht es uns darum, unsere Grenzen als Band in Frage zu stellen.“

Charmant, Teenagerherzen brechend, luftig leicht und mitsingbar waren die ersten Vinylversuche, zwei Songs auf dem von der Creme der Bremen-Norder Bands selbstproduzierten „Perlen der Einöde“-Sampler 1991, über dem ganz groß der Name Hüsker Dü schwebte. Gitarren, bis zum Anschlag verzerrt, unterlegen bis heute Sänger Andre's charismatische Racke-Rauchzart-Stimme, und daß Songwriterbands wie die Bostoner das ganz große Vorbild blieben, ist auch heute nicht zu überhören. Dennoch: bloß kopiert wird nicht. Und über das bloße Komponieren netter Melodien im harten Gitarrengewand sind die Sandmänner heute hinaus.

Das Fehlen des einen Bandkopfes, des Songwriters, macht Sandcastle so interessant. Vor allem das Songmaterial entscheidet, ob ein Gitarrenpopsong funktioniert oder nicht. Genau hier zeigt sich die Stärke des Komponisten-Kollektivs. Gitarrist Mario: „Das meiste entsteht bei uns durch's gemeinsame Improvisieren. Und dadurch, daß alle Ideen haben, ist es unwahrscheinlicher, daß immer das Selbe rauskommt, als wenn nur einer oder zwei die Lieder machen.“ Das Prinzip, bei jedem Fitzel Musik auf den absoluten Bandkonsens hinzuarbeiten, blockiere zwar manchmal, aber, so Bernd: „Dafür ist das Resultat viel befriedigender für alle.“ Die Folge: die Songs der just erschienen Single strotzen vor guten Melodien, abregenden Mitsumm-stellen, vernachlässigen aber auch die rhythmische Seite nicht. Wo anderen der 4/4-Takt reicht, scheppert und groovt es gewaltig, wenn Sandcastle ihre Gitarren mal verführerisch sanft, mal knallhart ins Rennen werfen, reichlich Tempi-Wechsel machen die Songs über ein Mitträllern hinaus interessant. Eine Menge Auftritte, ein Ziel der Singleproduktion, dürften den Popcorelern sicher sein. Aber das mit dem Ruhm sieht man als Student in den Mid-Zwanzigern bei aller Lust, am Ruhm zu schnuppern, eher realistisch. Gitarrist Mario weiß um seinen Platz in techno-geplagten Zeiten wie diesen: „Im Moment ist sicher nicht die Zeit für die Musik, die wir machen.“ Ein Grund mehr, an zeitloser Schönheit zu arbeiten, auch wenn sie pro Gitarrenpopsong nur zweieinhalb Minuten anhält.

Lars Reppesgaard

Die 7“ Single mit 4 wunderschönen Liedern gibt es (wo sonst?) bei Überschall

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