: „Ein Killerkommando“
■ Bei Morden in Bordell in Frankfurt tappt die Polizei noch im dunkeln
Frankfurt/Main (taz) – Im Westend nichts Neues: Auch mehr als 30 Stunden nach dem Leichenfund in einer Villa im Stadtteil Westend in Frankfurt/M. konnte die Kripo keine neuen Erkenntnisse über die Hintergründe der Morde an vier Prostituierten und dem Bordellbetreiber Gabor Bartos (55) und seiner Frau Ingrid (48) vermelden – „aber die Ermittlungsarbeiten laufen auf Hochtouren“.
Weil bei den ermordeten Frauen russische Zeitungen gefunden wurden, war das Schlagwort „Russenmafia“ am Tag der Leichenfunde Gegenstand der ersten Spekulationen. Andere (auch Polizisten) glauben eher an eine Auseinandersetzung im sogenannten Milieu: Albaner und Serben, die im Bahnhofsviertel inzwischen die Macht übernommen hätten, duldeten keine Bordellbetriebe außerhalb ihres Kontrollbereichs. Für Polizeisprecher Peter Borchardt steht fest, daß es sich bei der Mordtat um die „geplante und gezielte Aktion eines Killerkommandos“ gehandelt hat. Alle Opfer seien erwürgt oder erdrosselt und dann mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt worden.
Die Täter haben die Villa offenbar von der Sauna im Kellergeschoß bis zum obersten Stockwerk durchsucht und alle dabei vorgefundenen Personen lautlos getötet. In der Nachbarschaft waren jedenfalls in der Nacht zum Montag keine Schreie und auch sonst keine ungewöhnlichen Geräusche registriert worden. Die Identifizierung der ermordeten Prostituierten, deren Gesichter laut Polizeiangaben „wegen Blutstau kaum zu erkennen gewesen“ seien, ist inzwischen „teilweise abgeschlossen“, wie Borchardt gestern auf Nachfrage sagte. Die vier Frauen stammten alle aus der Ex-UdSSR. Der Bordellbetreiber Bartos hatte seit dem Fall der Mauer bevorzugt Frauen aus Rußland oder den baltischen Staaten beschäftigt. Ob der gebürtige Ungar die Prostituierten auch mit seinem Privatflugzeug persönlich nach Frankfurt/M. verbracht oder verschleppt hat, ist für Polizeisprecher Borchardt eine noch offene Frage.
Um nicht mit der rigiden Sperrgebietsverordnung in Frankfurt/M. in Konflikt zu kommen, gingen die Frauen in der Villa von Bartos der „Wohnungsprostitution“ nach. Die Kundschaft war nach Auskunft von NachbarInnen so nobel wie das Villenviertel. Bei Gabor seien nur „Kunden mit Empfehlung“ eingelassen worden, wußte ein anderer Polizeisprecher zu berichten.
Noch immer kann die Polizei auch nicht erklären, welche Rolle die beiden deckungsgleichen weißen Citroen BX 19 (mit Nummernschild-Doubletten) spielten, die nach der Aufdeckung der Tat in der Nähe der Villa sichergestellt wurden. Das Fahrzeug mit der Originalnummer F-CC 15 war auf Gabor zugelassen. Und warum sich in der Villa zur Tatzeit offenbar keine Freier aufhielten, kann sich die Polizei auch noch nicht erklären. Die Kriminalpolizei jedenfalls hat eine Sonderkommission aus acht Beamten gebildet, um den wohl spektakulärsten Mordfall der Frankfurter Nachkriegsgeschichte „so schnell wie möglich“ (Borchardt) aufklären zu können.
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