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SanssouciVorschlag

■ Ziemlich zotig: Arabische Liebespoesie im Haus der Kulturen

Während die Berliner Kinos derzeit mit einem Programm aufwarten, das selbst der letzte Dorfheini auswendig kennt, sich in den Theatern immer noch nichts tut und es für den Biergarten schon wieder zu kalt ist, Sie also richtig fest im Sommerloch sitzen, da geht im Haus der Kulturen der Welt der Bär ab. Regelrechte Massen sind es, die schon seit drei Freitagabenden dem Haus der Kulturen die Türen einrennen, sich stundenlang die Füße für Karten plattstehen, bis dann mehr als die Hälfte von ihnen erfahren muß, daß leider kein Platz mehr für sie übrig sei, man sich aber deswegen entschlossen habe, das Ganze anderthalb Stunden später zu wiederholen.

Doch was, um Himmels willen, werden Sie sich fragen, ist hier los? Und Sie werden's kaum glauben, aber die Lyrik ist's, die die Leute hier schier verrückt macht und scharenweise ins Haus treibt. Wer hätte das gedacht: „Arabische Poesie der Liebe“ lautet der heimliche Kulturrenner im diesjährigen Sommerloch. Mir allerdings bleibt die plötzlich ausgebrochene Lyrik-Euphorie auch nach der Lesung ein Rätsel. Die Gedichte jedenfalls, die letztens vorgetragen wurden, können's kaum gewesen sein. Frivole erotische Dichtung aus der Abbassidenzeit – so zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert – war angekündigt, zu hören war eine Zote nach der anderen.

Kostproben gefällig? Warum eigentlich nicht, ich hab's mir schließlich auch angehört: „Besser als in den Krieg zu gehen, ist es, morgens die Haare aus der Klitoris zu kämmen“ oder: „Ein Arsch ging an meinem Glied vorbei, als dieses beim Abendgebet war“, oder besser noch: „Sein Mund ist der Bruder der Impotenz, doch wortreich drängt sich sein Arschloch auf.“

Nichts gegen Zoten und Schweinereien, aber so, wie Frank Arnold, ehemaliger Schiller-Theater-Schauspieler die Verse vortrug, war's nur ein heftig deklamierendes Gefuchtel und kein bißchen witzig. Wenn von ihrem heißen Bauch im Bett die Rede war, schwang er sich stolz in Pose und griff sich doch tatsächlich an den Bauch, sprach er von seinem Morgengebet, wippte er mit dem Oberkörper und reckte die Arme gen Himmel, und bei den grauen Haaren auf den Wangen, na, das können Sie sich nun selbst ausrechnen, was er dann tat. Müßte er doch den Unterschied von Lyrik und Drama eigentlich besser kennen, und den von Zoten und schlechtem Theater allemal.

Lässig dagegen Khalid al-Ma'aly, der das arabische Original ohne großen Aufwand mit einem kaum merklichen Grinsen vorlas. Wenn die lyrischen Zeilen jedoch, wie er der Zoten-Parade erklärend vorausschickte, den Reichtum der arabischen Sprache widerspiegeln, so wurden wir Deutschen darum betrogen. Wo die Araber in hunderterlei Wörtern diese gewisse Sache beschwören, da kann der Übersetzer statt ficken nur bumsen. Andrea Kern

Die nächste und letzte Lesung „Arabische Poesie der Liebe“, dann mit Hanns Zischler, findet am 26.8. um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee, Tiergarten, statt.

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