: BND verteidigt Scheinaufkäufe von Plutonium
■ Waigel will Finanzhilfe von russischer Kooperation abhängig machen / Union plant Gesetzesverschärfung / Geheimdienst hat keine konkreten Erkenntnisse
Bonn/Zürich (dpa/taz) – Kanzler Kohl hofft in seinem jüngsten Schreiben an Boris Jelzin, daß in Zukunft kein „spaltbares Material in der Welt herumvagabundiert“ – sein Finanzminister weiß auch schon, wie man die Russen zum Einlenken zwingen kann: Via Bild am Sonntag kündigte Theo Waigel an, die deutsche Finanzhilfe für Rußland werde künftig auch von der Kooperation Moskaus bei Maßnahmen gegen die internationale Atommafia abhängig gemacht.
Doch noch läuft der Schmuggel – wenn auch, wie der Spiegel berichtet, auf Nachfrage des bayerischen Landeskriminalamts (LKA). Der auf dem Münchner Flughafen am 10. August beendete Atomschmuggel, bei dem neben Plutonium auch mehrere hundert Gramm Lithium 6 sichergestellt worden waren, sei vom LKA eingefädelt und von einem spanischsprechenden V-Mann, Deckname „Raphael“, abgewickelt worden. Der angebliche Interessent habe den Plutoniumhändlern vor dem Abflug aus Moskau versichert, es werde keinerlei Probleme mit dem russischen Zoll geben.
Wer immer die künftigen Abnehmer für spaltbares Material auch sein werden, in der Bundesrepublik ist die Debatte über Gesetzesverschärfung und Kompetenzausweitung der Geheimdienste bereits in vollem Gang. Atomdiplomat Schmidbauer sprach sich vor seiner Reise nach Moskau für abschreckende Strafen gegen Atomdealer aus. Die Gefahr, daß durch Scheinaufkäufe verdeckter Ermittler in Deutschland nukleares Material ins Land gelockt werde, müsse man „selbstverständlich im Auge behalten“. Gleichzeitig plädierte er aber dafür, daß der Bundesnachrichtendienst (BND) „die rechtliche Möglichkeit“ erhalten müsse, im Ausland als Ankäufer von Nuklearmaterial aufzutreten.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Erwin Marschewski, kündigte an, die CDU/CSU-Fraktion wolle „noch in diesem Monat“ Gesetzesänderungen zur besseren Bekämpfung des Atomschmuggels einleiten.
BND-Vizepräsident Münstermann räumte unterdessen ein, daß die Ermittler fast keine Aufschlüsse über die Abnehmer illegal gehandelter Nuklearstoffe hätten. Über die Hintermänner gebe es „keine konkreten Ergebnisse“, sagte Münstermann der SZ.
In der Schweiz ist allerdings jetzt erstmals ein Mensch mit einer radioaktiven Substanz bedroht und erpreßt worden. Einen entsprechenden Bericht der Sonntags- Zeitung bestätigte das Justizministerium in Bern. Der Erpresser sei der Polizei bekannt. Wegen laufender Ermittlungen wolle das Ministerium aber keine Details nennen.
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