: Zwei gute Deutsche in Japan
Die Weltmeister Guido Buchwald und Pierre Littbarski kicken in der japanischen Provinz, sind glücklich und werden von den Fans gepriesen ■ Von Georg Blume
Ichihara (taz) – Die Bundesliga begann in diesem Jahr nicht auf Schalke oder in Leverkusen, sondern zehntausend Kilometer östlich in Ichihara, einem japanischen Provinzstädtchen. Dort traten vergangene Woche Guido Buchwald und Michael Rummenigge in einem heißumkämpften Meisterschaftsspiel gegen Pierre Littbarski und Frank Ordenewitz an. 4:3 lautete der Endstand nach dramatischem Spielverlauf. „Ich hätte nie gedacht, daß man hier in Japan so Fußball spielt“, stöhnte ein schweißgebadeter Guido Buchwald, der mit seiner spielfeldüberragenden Größe und einer fehlerlosen Liberopartie den Überraschungssieg der Gäste aus Urawa sicherte.
An ein Bundesligaspiel erinnerte die Begegnung im fernen Nippon schon deshalb, weil sich nach dem Spiel niemand mehr an den Beitrag der achtzehn Japaner auf dem grünen Rasen erinnerte. „Er gibt sich völlig dem Spiel hin.“ „Er kennt keine Verliererhaltung.“ „Er erleuchtet seine Mitspieler.“ Wann je wurde die Leistung eines Guido Buchwald in höheren Tönen gepriesen als in Ichihara von der Mutter mit ihren zwei Töchtern, welche die weite Reise aus Tokio angetreten hatten und sich nun im Siegesrausch in den Armen lagen!
„Alles läuft viel besser als gedacht“, staunte der Stuttgarter Weltmeister, der erst drei Wochen vorher in Japan eingetroffen war, als seine neuen Fans im Stadion einen großen deutschen Schriftzug ausrollten, auf dem „Viel Glück, Guido“ zu lesen war. Später stimmten sie auch noch den neukomponierten „Guido-Song“ an. „Der Erfolg ist da. Die Fans sind sensationell“, zeigte sich der biedere Schwabe, der seine weitesten Reisen bisher stets mit Mannschaft und Trainer unternommen hatte, diesmal aber nur mit der Familie nach Japan aufgebrochen war, ganz gerührt von so viel Gastfreundschaft. Heimweh nach der Bundesliga? Nein, das wollte er hier nicht verspüren.
Von der Bewunderung und Begeisterung, die einer wie Buchwald derzeit in Japan auslöst, konnte Pierre Littbarski, der erste deutsche Fußball-Japaner, schon mehr erzählen. Kein lebender Deutscher mag derzeit in Japan bekannter sein als der Dribbelkünstler aus Köln, vor allem: kaum ein Deutscher war in Japan je beliebter. Vier Hakenschläge mit dem Ball zwischen Eckfahne und Fünfmeterraum – dann ist den Fans längst egal, ob aus der Chance noch ein Tor wird.
Das Spieltemperament des Kölners scheint haargenau der neuentdeckten, naiven Fußballiebe der Japaner zu entsprechen. War Littbarski vor einem Jahr noch der „Donald Duck der Bundesliga“ (Spiegel), ist aus ihm in Japan geworden, was er in Deutschland nie war: ein Star, der auf Werbeplakaten überall präsent ist und nun sogar schon japanisch spricht. „In einem Jahr läßt sich hier viel dazulernen“, berichtete Litti seinem WM- Kumpel Guido.
Offenbar nicht ohne Erfolg suchten sich die Clubs aus Ichihara, wo Littbarski spielt, und der Tokioter Vorstadt Urawa, wo Buchwald gastiert, die bravsten unter den braven deutschen Fußballspielern aus. Verdorbene Wohlstandskinder wie Stefan Effenberg und Andreas Möller hätten in Japan wohl nie eine Chance. Dagegen verkörperten Littbarski, der 15 Jahre in Köln spielte und nach seinem mißglückten Racing- Paris-Abenteuer sogleich wieder dorthin zurückkehrte, und Buchwald, der fast ebensolange in Stuttgart an- und herumtrat, stets alte deutsche Bodenständigkeit und Vereinstreue – womit sie in Japan gut ankommen.
„Er ist ein guter Mensch, führt ein gutes Leben und spielt fair – das ist das Wichtigste für uns“, entzückte sich Buchwalds japanischer Trainer nach dessen erfolgreichem zweiten Saisonspiel. Die fußballerische Leistung seines Neuzugangs erwähnte der Trainer erst gar nicht – sie verstand sich nach dem vorher Gesagten von selbst. Pierre Littbarski, auf dem Spielfeld ein ständiger Abwehrschreck, war privat stets ein gehorsamer Bursche. „Litti war am Anfang noch verunsichert, hatte Angst, verhökert zu werden“, erinnerte sich Ichihara- Manager Kazutomo Osafune auf der Busfahrt mit den Fans vom Stadion zum Bahnhof. „Doch heute ist er einer von uns“. Nun will der Verein dem 34jährigen auch dann noch helfen, wenn der einmal vom Fußballspielen genug hat – frei nach dem Prinzip lebenslanger Beschäftigung in Japan. „Litti ist unser Markenzeichen. Er hat bei uns immer zu tun“, prophezeite Osafune voller Zuversicht, daß der Kölner Ichihara so bald nicht verlassen werde.
Die Verbundenheit mit den deutschen Stars war vor allem auf den Fantribünen zu spüren. „Guido wa nai“, erschreckte sich der 28jährige Hafenarbeiter Takashi Yabe, als der Konter schon lief, ohne daß Buchwald in seine Liberoposition zurückgefunden hatte. Doch dann folgte der Spurt und die Grätsche des Deutschen: „Guido ii!“ summte Takashi.
Seine Vorliebe für den deutschen Fußball entdeckte Takashi schon als Junge, doch sie wurde später von der noch aus Kriegszeiten fortbestehenden Volksweisheit verstärkt: „Die Japaner und die Deutschen sind sich in ihrer Mentalität ähnlich“. Auch insofern traf es einen willkommenen Ton, als Guido Buchwald in Ichihara versprach: „Ich will meinem Team vor allem Siegeswillen zeigen.“ So gehört es sich für einen guten Deutschen, der es in Japan noch zu etwas bringen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen