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StandbildZorniger Konservator

■ "Spurensicherung"

„Spurensicherung“, Montag, 1.20 Uhr, ZDF

Es bröselt, es rieselt, es fault, und es zieht. Mit dem Blick eines Pathologen untersucht die Kamera die Gebrechlichkeit geweihter Gemäuer im Osten Deutschlands. Im Auftrage des ZDF und im Sinne der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz machte sich Regisseur Jürgen Haese auf, in das verwunschene Ex-Land, in dem nicht nur staatlich verordnete Gottlosigkeit herrschte, sondern die reinste Kulturbarbarei. Strenge Stimmen raunen uns zu, daß wir beim Herrn und dem deutschen Kulturgut so lange in der Kreide stehen, bis auch der letzte Trümmerhaufen im alten Glanz erstrahlt. Daß der eine oder andere Mauerschaden dabei schon auf Napoleons Konto ging, ist für die antisozialistisch motivierte Restaurationslitanei ebenso unerheblich wie der Umstand, daß mancher Abriß schlicht unvermeidbar war.

Haese wünscht ein 100-prozentig wiederhergestelltes Deutschland im Gebäudezustand von 1848. Daß Rundum- Erneuerungen unter Kunsthistorikern äußerst umstritten sind, unterschlägt der Bericht. Auch der Unterschied zwischen Stiftungs- und Steuergeldern wird verschluckt, um ja keinen neuralgischen Punkt, wie die Hunderte Millionen Mark teuren Pläne zum Wiederaufbau der zerbombten Dresdner Frauenkirche anzurühren. Lieber läßt Haese sein Objektiv erschüttert über Parkplätze streunen, auf denen vor dem Zweiten Weltkrieg noch heilige Bauten standen. Zwischentöne läßt der zornige Denkmalfreund nicht zu. Immerhin ist den DDR-Gotteshäusern das Schicksal der Kirchen im atheistischen Albanien erspart geblieben, wo Parteichef Enver Hodscha die Gebäude zu Turnhallen und Kaufläden umwidmen ließ.

Haese selbst hat andere Pläne. Er könnte sich vorstellen, Gottesburgen wie Schinkels Dorfkirche bei Templin als „stille Orte“ dem „sanften Tourismus“ zu übereignen. Dem immer noch zaudernden Zuschauer präsentiert er giftig spukende VEB-Industrianlagen auf kunst- und kirchenhistorischem Grund, untermalt von apokalyptischen Gesängen. Dann schwingt sich die Kamera wieder in die Vogelperspektive und fliegt über undichte Dächer und zerbrochene Fenster davon. Vom Himmel aus sieht man freilich keine DDR-geschichtlichen Zusammenhänge, sondern nur Spuren sozialistischer Schlamperei. Birgit Glombitza

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