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Tippschein als Einstiegsdroge?

■ Der Leiter der einzigen ambulanten Spielerbehandlungsstelle in Deutschland, Iver Hand, über die verharmloste Gefahr

taz: Macht der Jackpot süchtig?

Iver Hand: Wer gefährdet ist, zum Spieler zu werden, wird durch den Jackpot und den Medienrummel stärker motiviert werden, das mal zu machen. Dazu kommt, daß Spiele wie die Fernsehlotterie die Hemmschwelle senken, weil man da sagt: man tut das ja für den guten Zweck.

Also legen viele Lottospieler in diesen Tagen den Grundstein zu einer Karriere als Spielsüchtige?

Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, wie viele Leute von Lotto zu Pferdewetten, Automaten oder Casinos wechseln. Es gibt sicher viele, die jetzt erst mal beginnen, ihren monatlichen Einsatz zu verdoppeln, zu verfünffachen oder mehr. Wenn sie das Lotto sehr emotional stimuliert, dann ist für manche die Gefahr da, daß sie den Kick bald woanders suchen.

Was passiert mit denen, die auf einmal Millionäre werden? Ist das eigentlich Glück?

Krankhafte Glücksspieler können mit so viel Geld meist nichts anfangen. Weil die nicht aus Geldnot spielen, sondern wegen seelischer Nöte. Die haben keine subjektiv sinnvolle Verwendung. Bei Normalbürgern kommt es vor, daß sie Millionenbeträge handhaben, als ob sie nicht existieren, das Geld einfach nur sicher anlegen und in ihrem Alltag ganz wenig verändern. Es gibt aber auch das andere Extrem: daß die Leute ihren Job kündigen, ihren Bekanntenkreis wechseln und glauben, endlich das Glück finden zu können, das sie immer vermißt haben. Und das geht oft völlig daneben. Das heißt, daß die innerhalb weniger Jahre ihr gesamtes Geld verpulvert haben und dann völligen Schiffbruch erleiden.

Welchen Tip geben Sie denn einem frischgebackenen Millionär?

Man sollte schon die Kraft haben, eine innere Distanz dazu aufzubauen. Wer jetzt die Idee kriegt, ich hör' auf zu arbeiten, ich zieh' ganz woanders hin, ich lebe jetzt das Super-Luxusleben, der sollte sich schon fragen, ob das, was er aufgibt, nicht viel wertvoller ist, als er glaubt. Interview: Anja Kaatz

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