piwik no script img

■ Meditieren im Brandenburger TorStilles Örtchen

Berlin soll um eine Touristenattraktion reicher werden. Dank des Vorschlags eines Förderkreises aus Protestanten, Katholiken und anderen Gläubigen soll im nördlichen Seitenflügel des Brandenburger Tores ein „Raum der Stille“ eingerichtet werden, um daran zu erinnern, daß „alle Spaltungen zu Zerstörung führen“. Schirmherrin des „stillen Örtchens“, für das im Oktober die Spülung gezogen werden soll, ist die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Hanna-Renate Laurien (CDU). Halleluja!

Das Brandenburger Tor wird hoffentlich auch diesen fehlgeleiteten Gedankenblitz überstehen. Mit dem Symbol der deutschen Teilung wird nicht erst seit dem Mauerfall Schindluder getrieben. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es bei einer gründlichen Reparatur in der Farbe „Café au lait“ gestrichen, die nach Protesten aber wieder abgekratzt werden mußte. Voilà. Damals wußte man sich noch zu wehren. Der Senat aber scheint angesichts der angespannten Haushaltslage und nach der Sparklausur aller Widerstandskraft beraubt zu sein. Verständlich also das Bedürfnis nach Stille und Abgeschiedenheit. Kann er haben. Dann soll der Förderkreis doch den „Raum der Stille“ installieren. Statt aber „Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion und Weltanschauung“ einzuladen, „mitten in der Hektik der Großstadt für eine Weile still zu werden, um auch ein Zeichen gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit und für Geschwisterlichkeit“ zu setzen, sollte Hanna-Renate Laurien die Gunst der ersten Stunde gegönnt sein und die Oase der Ruhe einweihen. Am besten am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit. Gegen Spaltung in der Einheit. Besser ein Nickerchen in der Abgeschiedenheit als auf dem Präsidentenstuhl des Abgeordnetenhauses. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen