: Kulturbiotop? Subkultur? Gibts nicht mehr! -betr.: "Eine Schallmauer fürs Viertel",taz vom 26.8.94
betr.: „Eine Schallmauer fürs Viertel“, taz vom 26.8.
„Eine Schallmauer fürs Viertel“ und alles wär' geritzt, nur das Junge Theater ist idiotischerweise dagegen? Leider stellt sich die Situation anders dar und ist Thomas Wolff in einem längeren Interview anders beschrieben worden:
1. Das angebliche „Angebot“, eine Schallschutzwand zwischen Theater (in Erdgeschoß) und Musikerprobenräumen (im Keller) wurde dem Jungen Theater weder von der Firma Dullien noch von Vertretern der Musiker gemacht. Das Junge Theater wäre aber auch weder für die Finanzierung noch für die Durchführung dieser Baumaßnahme in den von der Firma Dullien angemieteten und an die Musiker untervermieteten Räumen der richtige Ansprechpartner: zuständig dafür wäre die Eigentümerin der Gebäude, die Grundstücksgesellschaft Steintor.
2. Der Artikel von Thomas Wolff erweckt den Eindruck, das Junge Theater wolle aus irgendwelchen mysthischen Gründen um jeden Preis die Nusikgruppe aus ihren Kellerräumen vertreiben. Dem ist nicht so. Das Junge Theater hat mit Akustikern die Lage besprochen, in zahlreichen Gesprächen mit der Firma Dullien und einzelnen Musikgruppen immer wieder versucht, die Lage zu entspannen und zu lösen. Wir haben auf eigene Kosten Isolationsmaßnahmen unternommen. Wir haben Proben und Schauspielproduktionen in andere Räume verlegt, diese zum Teil auf eigene Kosten zusätzlich angemietet. Wir mußten einzelne Gastspiele und Kooperationen mit Radio- und Fernsehsendern absagen, da wir in unseren eigenen Räumen keine Ruhe gewährleisten können. Einzelne Musikgruppen haben sich an gemeinsame Absprachen – Probenzeiten, Isolationmaßnahmen – nicht gehalten.
Dabei haben wir immer wieder betont, daß nicht alle Musikgruppen unsere Vorstellungen und Proben beeinträchtigen. Der Firma Dullien ging es immer „ums Prinzip“ und um die grundsätzliche Sichtweise, die Störungen unserer Arbeit seien unser Problem (als zuletzt „zugezogene“) .
3. Das Junge Theater hat gegenüber der Gebäudeeigentümerin eine Mietpreisminderung geltend gemacht, solange die von ihr angemieteten Räumlichkeiten für den vereinbarten Mietzweck, den Betrieb eines Theaters, nicht nutzbar sind. Bei der in Artikel leider nür am Rande zitierten „Gerichtsebene“ handelt es sich um einen Räumungsprozeß zwischen der Grundstücksgesellschaft Steintor als Gebäudeeigentümerin und der Firma Dullien als Prozeßbeteiligten.
4. „Daß es eigentlich nur um die Schallabdämmung“ geht, bestreiten wir in der Tat nicht. Nur geht es dabei um einen dicken Batzen Geld, den wir nicht haben, den die Musiker ebenfalls nicht haben. Sowohl das Junge Theater als auch die Nusikgruppen bezahlen – „nicht ganz billig“ – Mieten für eine kulturelle Nutzung. Wir sind der Auffassung, daß für eine Schallisolierung die Schallverursacher bzw. deren Vermieter zuständig sind.
5. Vor fast genau einem Jahr hat Thomas Wolff in der taz schon einen Artikel zum Thema verfaßt. Damals gab Dullien „inzwischen acht Gruppen Raum in seinen Lagern“. In der taz-Überschrift '94 droht „2O Bands“ die Räumung. Damals wollte Dullien sich mit einer Beteiligung von „3.OOO,- DM“ an einer Schallschutzwand kooperationswillig“ zeigen. Heute „kann man sich 50.000,-- DM doch teilen“! So verwirrend unklar ist eben die Lage, wenn man mit der Firma Dullien verhandelt.
Thomas Wolff hat diese Informationen in einem ausführlichen Interview bekommen. Er hätte vielleicht vermitteln können. Stattdessen polemisiert er und verschärft und verhärtet so die existierenden Fronten. Für unsere „Viertel-BILD“ ist „freie Kultur haut sich die Rübe ab“ spannender, als schon wieder „Geld regiert die Welt“. Also kultiviert der Redakteur den Kampf zwischen „oberirdisch residierenden“ „Mimen“, die, „beim Kammerspiel gestört“, wegen angeblicher Lärmbelästigung eines „wilden Kulturbiotop“, einer hochproduktiven Szene“ „das Wasser abgräbt“ oder arrogant Schweigen „einfordert“. Am Ende darf sich dann auch das selbsternannte „Subkulturbiotop“ auf formale Ebenen schwingen, man könne „jetzt geräumt werden und in drei Monaten Recht bekommen.“ – Daß man in zwei Instanzen klar Unrecht bekommen hat, fällt nicht nur dem Zeilenlimit des Redakteurs zum Opfer.
Aber so einfach ist das nicht mehr mit der angeblichen „Alternativkultur“: Wo oben“ „Hasenshow“ und Tim Fischer ein bißchen Geld in die Sozialhilfe-Kasse des Theaters spielen und unten „düstere Technobastler und hoffnungsfrohe Popcombos“ gefährden, da wummern uns und zehn oder 20 Zuschauern in Schauspiel „Tätowierung“ komplette zwei Stunden Spieldauer die Übungsversuche an „Living next door to Alice“ auf die Szene ... – Kulturbiotop? Hochkultur? Subkultur? Gibts nicht mehr! Wie die „alternative Berichterstattung“. Junges Theater
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen