: "Sehr eng am Leser"
■ Demnächst neu: die Illustrierte "Tango" und das Infomagazin "Feuer"
Eine neue Illustrierte auf den Markt zu bringen ist vor allem eine Aufgabe fürs Marketing. Wie sie aussehen soll, wird nicht verraten, nur unter höchster Geheimhaltung bekommen die großen Anzeigenkunden eine Nullnummer zu Gesicht. Die Öffentlichkeit wird derweil mit Nebelkerzen versorgt. Sibyllinische Mitteilungen über das Erscheinungsdatum wechseln mit Begeisterungsbekundungen der Chefredakteure über jede neue Nullnummer ab.
Nach dem Erfolg des Nachrichtenmagazins Focus – das auf Anhieb die Hälfte der Spiegel-Auflage erreichte – wird ohnehin fast alles geglaubt, was die PR-Maschinerien von Gruner+Jahr und Bauer hergeben. Beide Großverlage buhlen in diesem Herbst mit neuen Zeitungsprojekten um die Aufmerksamkeit der künftigen Käufer und Anzeigenkunden.
Aus der Berliner Ritterstraße verstreut Hans-Hermann Tiedje (45), einst knallrechter Bild-Chef, Informationshäppchen über seine neue „Infoillustrierte“ aus dem Hause Gruner+Jahr. In Interviews zitiert er mit schöner Regelmäßigkeit eine ungenannte „Bewerberin aus der taz“ (die er in Wirklichkeit selbst mal zum Plausch eingeladen hatte): „Sehr rhythmisch und sehr eng am Mann“, das fiel ihr zum Stichwort Tango ein. Ja, das habe ihm gefallen. Sehr eng am Leser. Und so ist man einfach bei dem Arbeitstitel geblieben. Herausbringen will Tiedje, an einem Donnerstag im September, „eine klassische Illustrierte [...]. Große Geschichten, kleinere Geschichten, Optik und Text sehr eng verzahnt.“ Das Branchenblatt Werben&Verkaufen indessen kommt nach einer Vorabpräsentation des neuen Blattes zu dem Schluß, „daß Tango direkt mit dem Stern kollidiert. Die Themen und das Niveau der Schreibe sind praktisch identisch, das Layout ist frischer.“ Kein Wunder, daß im G+J-Vorstand der damalige Stern-Chef Rolf Schmidt-Holtz heftig gegen das Projekt opponierte. Doch er verlor den Kampf mit dem Vorstandsvorsitzenden Gerd Schulte-Hillen (und mußte auch seinen Job im Verlag wechseln).
Tango will offensichtlich das Erfolgsrezept von Focus kopieren. Und das lautet nicht einfach „bunt und kurz“ – nein, Focus hat sich politisch in Position gebracht, für alle, denen der Spiegel zu kritisch und CDU-feindlich ist. Denn was montags erfolgreich ist, kann doch am Donnerstag nicht falsch sein. Schließlich präsentieren sich Zeit, Stern und Woche zum Verwechseln ähnlich linksliberal. Und wer sich als Kohl-Sympathisant nicht gerade auf Bunte-Niveau begeben wollte, ging bisher leer aus.
Tiedje, der den Ex-Bild-Chef und jetzigen Kohlberater Peter Boenisch als sein Vorbild nennt, könnte schon der Richtige sein, das zu ändern. So wie Focus-Chef Helmut Markwort und Sat.1-Info- Direktor Klaus Heinz Mertes ist er dem „think positive“ des Kanzlers mindestens geistesverwandt.
Tiedje weiß allerdings, daß er das Rennen noch längst nicht gewonnen hat: „Wir machen den größten Illustriertenerfolg seit der Gründung des Stern oder einen Riesencrash.“ Bei 500.000 verkaufter Auflage geht der Daumen hoch, unter 300.000 runter.
Dicht auf den Fersen ist ihm der Bauer-Verlag mit seinem „Informationsmagazin“ (Arbeitstitel: Feuer). Die beiden Chefredakteure Michael Gatermann (früher manager-magazin) und Hartmut Volz (der in Österreich das erfolgreiche Springer-Magazin News mitgegründet hat) erklärten noch vor kurzem, sie würden auch donnerstags erscheinen, jetzt wollen sie sich doch am Montag der Konkurrenz von Spiegel und Focus stellen. Dabei deuten die Konzeptbeschreibungen des Verlags eher in Richtung Focus: „Spaß und Freude beim Lesen“ und „Schluß mit dem erhobenen Zeigefinger der Journalisten“ sollen die Leser aufatmen lassen, und zwar wohl ebenfalls noch vor den Bundestagswahlen, den Rückenwind des Wahlkampfes nutzend.
Wenn es trotzdem heißt, man stehe nicht unter Zeitdruck, dann ist auch das wohl eine Nebelkerze. Schließlich geht es vor allem darum, sich gegenseitig die Anzeigenkunden abzujagen. Größer wird der Kuchen der Werbebudgets nicht, und so ist Verdrängungswettbewerb angesagt. – An dem wollte sich eigentlich auch der Springer Verlag beteiligen, mit einer deutschen Ausgabe von News. Doch dafür gibt es bisher nur eine mickrige „Entwicklungsredaktion“, und die Entscheidung wird immer weiter hinausgeschoben. Jüngstes Gerücht: Großaktionär Leo Kirch ist dagegen. Wahrscheinlich will er das Geld lieber in Programmzeitschriften stecken. Die können besser für seine Sender werben. Michael Rediske
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