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Mit Taschenlampe und Pistole geweckt

■ Amtsrichterin stellt Verfahren gegen drei Türken wegen Unglaubwürdigkeit von SEK-Beamten ein Polizeiaktion in Asylbewerberheim war rechtswidrig / Wie kam Sükrü A. zu seinen Verletzungen?

Handelt es sich bei den Polizisten, die Ausländer schlagen, wirklich nur um ein paar „schwarze Schafe“, wie der Polizeipräsident meint? Oder hat nicht doch die Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten recht, wenn sie von „schwarzen Herden“ spricht? Der taz liegt ein Beschluß des Amtsgerichts Moabit vor, der in dieser Debatte für neuen Zündstoff sorgen könnte: Eine Richterin lehnte es ab, drei Türken den Prozeß zu machen, weil sie acht Beamte eines Sondereinsatzkommandos (SEK) für nicht glaubwürdig hielt. Außerdem bescheinigte sie der Polizei- Elitetruppe, in einem Asylbewerberheim eine rechtswidrige Durchsuchung vorgenommen zu haben.

Der besagte Vorfall hatte sich am 19. Juli 1993 in einem Asylbewerberheim in Neukölln ereignet. Mitten in der Nacht waren acht SEK-Beamte in das Zimmer des 38jährigen Türken Sükrü A. eingedrungen. Bei der mit „Gefahr im Verzuge“ begründeten Durchsuchung fahndeten die Beamten nach einer scharfen Waffe, mit der der Türke seine frühere Lebensgefährtin Wochen zuvor bedroht haben soll. Die Pistole fanden die Polizisten nicht. Sie nahmen sich dafür aber Sükrü A. so zur Brust, daß dieser Schwellungen und Schürfwunden im Gesicht und am Körper davontrug.

Nachdem er einen Arzt aufgesuchte hatte, erstattete der Türke gegen die SEKler Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung. Zur Begründung gab er mit Hilfe seines Rechtsanwalts zu Protokoll, die Polizisten seien mit gezogenen Waffen und Taschenlampen in sein Zimmer gestürmt, ohne Licht anzumachen. Im selben Raum hätten noch zwei andere Türken geschlafen. Drei Beamte seien auf ihn, Sükrü A., zugestürzt, hätten ihm eine Waffe an den Kopf gehalten und ihn geschlagen. Als er versucht habe, seinen Ausweis aus der über dem Bett hängenden Hose zu angeln, sei er mit Schlagstöcken traktiert und mit Fäusten ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen worden. Auch seine Fußzehen hätten die Beamten gequetscht und ihn mit Worten wie „du Arschloch, du Arschloch“ beschimpft.

Erst im Verlaufe der Aktion sei das Licht angemacht worden, und nun erst habe er erkannt, daß er Polizisten vor sich hatte. Zuvor habe er gedacht, daß es sich um einen „faschistischen Überfall“ handele. Als Zeugen für die Mißhandlungen benannte er seine beiden Bettnachbarn. Wie so oft bei Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, stellte die Staatsanwaltschaft auch das gegen die SEK-Beamten nach kurzer Zeit ein. Sükrü A.s Anwalt Rüdiger Jung legte bei der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht zwar Beschwerde ein, aber diese kam zu dem gleichen Ergebnis: Die Aussagen der beschuldigten Beamten seien von den Zeugen nicht zu widerlegen.

In der Zwischenzeit waren die Beamten des SEK auch nicht untätig geblieben und hatten die drei Türken wegen falscher Verdächtigung angezeigt. Einer der Polizisten erklärte, er hätte an seiner gezogenen Dienstwaffe eine Taschenlampe befestigt gehabt und Sükrü A. damit ins Gesicht geleuchtet, „um ihn handlungsunfähig zu machen“. Aber keiner der Beamten habe Sükrü A. geschlagen. Man habe die Gegenwehr des Mannes vielmehr „mittels einfacher körperlicher Gewalt gebrochen“, heißt es in ihren Aussageprotokollen. Und siehe da, die Staatsanwaltschaft erhob gegen die drei Türken Anklage. Aber die Rechnung ging nicht auf, denn Amtsrichterin Pfefferkorn stellte das Verfahren nach eingehender Prüfung der Akten ein.

Der mehrere Seiten umfassende Beschluß der Richterin läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Da die Polizisten „weder rechtmäßig noch angemessen“ gehandelt hätten, könnten die drei angeklagten Türken diese „auch nicht wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat“ verdächtigen. Frau Pfefferkorn begründet dies zum einen damit, daß die Zimmerdurchsuchung wegen Gefahr im Verzuge unangemessen und somit nicht rechtmäßig war. Außerdem hätten die SEK-Beamten bei ihrer Vernehmung keine Erklärung dafür abgeben können, wie Sükrü A. zu seinen Verletzungen gekommen war: „Welche Widerstandshandlungen vorlagen, deren Überwindung die Verursachung derartiger Verletzungen erforderte, wird nicht dargelegt.“ Plutonia Plarre

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