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■ Schwedens Kirche im GeschlechterkampfIst Gott ein Frauenfeind?

Stockholm (taz) – Zwei Jahrtausende nach Christus versucht nun auch die schwedische Kirche sich mit dem Gedanken anzufreunden, daß Mann und Frau gleichberechtige Menschen sind.

Am Wochenende beschloß der Kirchenreichstag – wenn auch mit äußerst knapper Mehrheit: 110 zu 103 Stimmen –, daß in Zukunft nur noch der zum Priester geweiht werden darf, „der die Gültigkeit der Priesterweihe auch von Frauen und deren Sakramentsverwaltung bejaht“. Formal dürfen zwar schon seit 1958 Frauen Priesterinnen der schwedischen Staatskirche werden, tatsächlich aber hat eine frauenfeindliche Phalanx, die bis in die Bischofsebene reicht, bislang eine Öffnung der Kirche für Pfarrerrinnen wirksam sabotiert. Nur unter jedem zehnten schwedischen Talar steckt heute eine Frau.

Die Frauenfeinde, an ihrer Spitze der kämpferische Bischof von Göteborg, Lars Eckerdal, berufen sich bei ihrer Ablehnung der Pfarrerinnenweihe auf das Pauluswort, wonach Frauen in der Kirche den Mund zu halten haben. Daß diese Einstellung kein Generationsproblem ist, zeigen jüngste Untersuchungen an den theologischen Fakultäten, wonach eine starke Minderheit der männlichen Studierenden ihren weiblichen Kommilitoninnen nach wie vor das Recht abspricht, die Priesterweihe empfangen zu dürfen. Sie müssen nun entweder ihre Meinung ändern oder sich einen anderen Beruf suchen. „Ein Berufsverbot“ für sie ist der Beschluß des Kirchenreichstags für Dag Sandahl, Pfarrer aus Kalmar. Er fordert von seiner Kirche dann gleich durchgehende Konsequenz: Alle, die aus Gewissensgründen die weibliche Priesterweihe ablehnten, sollten frühpensioniert werden, mit saftiger Abfindung und vollem Lohn. Er werde jedenfalls seine pfarrerinnenfeindliche Linie so lange öffentlich vertreten, bis seine Vorgesetzten reagieren. Auch andere Pfarrer, die sich der „altkirchlichen“ Fraktion zurechnen, wollen ähnlich provozieren.

So teuer will sich die schwedische Kirche das Ganze vermutlich aber nicht machen. Immerhin umfaßt der frauenfeindliche Kern unter den Pfarrern rund ein Fünftel der 5.000 Priester des Landes. So wurde der jetzige Beschluß auch nur im Hinblick auf neue Priesterweihen formuliert. Für Magnus Skredsvik, 23jähriger Pfarrerstudent und wortgetreuer Paulusjünger, bleibt nach eigener Aussage nur ein Ausweg: „Ich bin zum Priester berufen, kann daher mein Studium nicht abbrechen, und ich spreche Frauen das Recht zum Priesteramt ab. Ich kann mich nur im Ausland als Priester weihen lassen, um dann vielleicht nach Schweden zurückzukehren und hier meine Berufung zu erfüllen.“ Eine Hintertür, die möglicherweise nicht nur er nehmen will, zumal sie auch Bischof Eckerdal bereits offen propagiert hat.

Die Fronten scheinen trotz des jetzigen Mehrheitsbeschlusses so verhärtet zu sein, daß sogar schon von Kirchenspaltung gesprochen wird. Brita Olinder, jahrelange Kämpferin für die Rechte der Frauen: „Sieht man die Geschichte an, waren alle Kirchenspaltungen eigentlich unnötig, aber unvermeidbar, weil man irgendwelche Fragen auf die Spitze getrieben hat. Hier gibt es für uns Frauen auch keine Kompromißmöglichkeit, weil man uns als Individuen grundsätzlich in Frage stellt.“ Pfarrer Anders Reinholdsson, der die Gültigkeit des Abendmahls verneint, wenn dieses von einer Frau gereicht wird, erhofft sich die Lösung des Konflikts von oben: „Wir wissen nicht, was jetzt passieren wird. Gott weiß es. Gott hat gesagt, daß die Frau das Abendmahl nicht austeilen darf. Aber was passiert, wenn sie es trotzdem tut, das werden wir ja jetzt sehen.“ Reinhard Wolff

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