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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich

Letztes Mal brachte ich ihr Laugenbrezeln mit. Auch zehntausend Kilometer von der Heimatfront entfernt endet nämlich die Verpflichtung nicht, eine Badenserin von den Segnungen schwäbischer Kultur zu überzeugen. Susanne kam aus Pforzheim, ich aus Maulbronn. Die Brezeln wurden auf der Veranda verspeist, mit jenem atemberaubenden Blick über den See, die Segelboote und die Berge, dessentwegen Ehemann Dirk Stoffberg die Villa bei Pretoria gekauft hatte. Der Blick sollte Susannes Heimweh heilen. Ohne Erfolg.

„It's lovely to see you, Johannes“, sagt Dirk, dessen Höflichkeit wie immer keine Grenzen kennt: „Would you mind if I smoke a pipe, Johannes?“ Natürlich nicht, schließlich ist Dirk bei guter Laune zu halten: Als international renommierter Waffenhändler gilt der Mann als journalistische Goldader. Susanne, Dirks siebte Ehefrau, hilft dem Schwaben, indem sie ihren täglichen Marathon zwischen Kühlschrank und Dirks Weinglas startet: Während eines Gesprächs am frühen Nachmittag pflegen sich zwei Flaschen Weißwein in Stoffbergs Rachen zu entleeren.

Kein Zweifel: Der Mann ist fertig. 15 Jahre lang ließ der burische Agent kein schmutziges Geschäft aus: Er beschaffte dem Irak hochangereichertes Uran, den Libyern Senfgas und Südafrika Raketenteile. Er trank mit CIA-Chef William Casey Tee, tauschte im Iran Geiseln gegen Waffen aus und weiß, wer Uwe Barschel tötete. Er selbst sei Mitglied einer Todesschwadron des CIA gewesen. „Der schlimmste Spion der Welt“, preist ihn ein Geheimdienstmagazin.

„Ich habe keine Angst vor Dirk“, sprach sich Susanne selbst Mut zu: „Unsere Liebe ist so stark, sie wird ewig dauern.“ Vor fünf Jahren begann ihr Abenteuerleben in einer Hotelsuite am Luzerner See. Doch kurz später schon verfing sich ihr burischer 007 im Netz, wurde an der deutsch- schweizerischen Grenze festgenommen und verschwand für neun Monate hinter Gittern. Susanne soll es gerade noch gelungen sein, die Formel für das sagenumwobene „rote Quecksilber“ die Toilette hinunterzuspülen.

Dann war der Thrill Vergangenheit. Ihr aus der Haft ans Kap der Guten Hoffnung abgeschobener James Bond mußte sich nach einem neuen Broterwerb umschauen. „Filmstar“ kommt in Frage. Der schwäbische Reporter soll ein Skript über „Stoffberg in Bagdad“ aufsetzen. Das Diktat beginnt.

Die Story fängt gut an: Stoffberg schlendert auf den Fersen Schalck- Golodkowskis durch die Bagdader Kasbah. Plötzlich eine gewaltige Explosion: Israelis haben das Bagdader Atomkraftwerk bombardiert. Also deswegen wollte ihn der CIA hier haben! Der irakische Geheimdienst nimmt Dirk fest, in seinem Gepäck wird ein siebenarmiger Leuchter des Mossad gefunden. Verdammt! Fortsetzung nächste Woche.

Doch sieben Tage später geht niemand mehr ans Telefon. Die Kugel drang unter dem Kinn ein und zerschmetterte das Kleinhirn, heißt es im Obduktionsbericht. Es war Dirks viertes Geschoß. Die ersten drei trafen Susanne. Während sie am Telefon ihrem Sohn ankündigte, bald für immer nach Hause zurückzukommen. Zu Dirks Beerdigung erscheint eine frühere Ehefrau in Rot: „Ich habe mir geschworen, nicht zu trauern, wenn dieser Bastard stirbt“, sagt sie.

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