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Demo gegen „Großen Zapfenstreich“

Bündnis gegen Aufmarsch der Bundeswehr am Brandenburger Tor nach Parade der Westalliierten Erster Zapfenstreich in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg / Bundeswehr: kein Fackelzug  ■ Von Uwe Rada

Wenn am 8. September, eine Woche nach der Verabschiedung der Westgruppe der ehemals sowjetischen Streitkräfte, die Westalliierten ihre letzte Parade am Brandenburger Tor zelebrieren, ist auch die Bundeswehr mit von der Partie. Mit Pauken und Trompeten soll in Berlin erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder ein gesamtdeutscher Großer Zapfenstreich stattfinden. Die Zeremonie, die unter der Mitwirkung von 1.000 Musikern und 200 Trommlern am 12. Mai 1838 in Berlin uraufgeführt wurde und nun vom Wachbataillon der Bundeswehr bestritten werden soll, beginnt am kommenden Donnerstag nach der Truppenparade der Westalliierten um 21.30 Uhr, dauert etwa 30 Minuten und endet mit der feierlichen Intonation der Nationalhymne.

Daß mit einem solchen Militärspektakel die deutsche Geschichte einmal mehr vergessen gemacht werden soll, findet ein Bündnis, das anläßlich des Großen Zapfenstreichs eine Gegendemonstration organisieren will. „Seit der Vereinigung war es üblich, daß man Militäraufmärsche der Bundeswehr in Berlin sehr vorsichtig behandelt hat“, sagte gestern ein Vertreter des Bündnisses auf einer Pressekonferenz. Mit dem Abzug der Alliierten sei offenbar aber der Zeitpunkt gekommen, auch für die Deutschen „das Ende der Nachkriegszeit einzuläuten und so die Verbrechen der Nazis der Vergessenheit anheimzugeben“.

Die Abschaffung der Bundeswehr und den Austritt aus der Nato fordert dagegen das Demo- Bündnis, zu dem sich neben der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ auch das „Anti-Olympiakomitee“ und der PDS-Bundesvorstand, nicht aber die Berliner Grünen zusammengeschlossen haben. Die Demonstration beginnt am 8. September um 18 Uhr am Roten Rathaus und führt über die Oranienburger Straße und die Geschwister- Scholl-Kaserne zum Brandenburger Tor, wo etwa eine Stunde vor dem Beginn der Bundeswehrzeremonie die Abschlußkundgebung stattfindet. Vorwürfe der Demo- Organisatoren, denen zufolge die Bundeswehr, ähnlich der Wehrmacht am 30. Januar 1933, mit Fackeln durchs Brandenburger Tor ziehen solle, dementierte gestern allerdings der zuständige Presseoffizier der Truppe.

Bereits gestern machten etwa 30 als Bundeswehrsoldaten verkleidete Demonstranten auf ihre Gegnerschaft zum Militärspektakel aufmerksam. An Krücken und mit Ketchup beschmiert zogen sie von der Neuen Wache zum Brandenburger Tor. Um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen, rief das Bündnis gestern auch zum „Lappenkrieg“. Damit sollen, so hieß es wörtlich, „Reaktionen der Polizei herausgefordert werden, um so die nötige Öffentlichkeit zu schaffen“.

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