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Friede, Freude und ein Steinhagel

Während die irische Regierung euphorisch auf den IRA-Waffenstillstand reagiert, bleibt John Major skeptisch / In Nordirland selbst wird die Versöhnung noch länger dauern  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Am Mittwoch morgen fand die nordirische Polizei in Antrim bei Belfast die Leiche des 37jährigen Shaun McDermott. Seine Mörder, Mitglieder der loyalistischen Ulster Volunteer Force (UVF), hatten ihn aus seinem Haus entführt, gefesselt und durch einen Kopfschuß getötet. Der Grund: McDermott war Katholik. Er war das 3342. Opfer des Konfliktes in Nordirland.

Die schon fast rituelle Verurteilung der Tat durch Politiker und Geistliche beider Konfessionen blieb diesmal aus. Zu sehr war man mit Spekulationen und Prophezeiungen über die Zukunft der britischen Krisenprovinz beschäftigt, nachdem die Irisch-Republikanische Armee (IRA) am Mittag den unbefristeten Waffenstillstand verkündet hatte. Der irische Premierminister Albert Reynolds erklärte auf Nachfrage lediglich, er sei überzeugt, daß McDermott das letzte Opfer gewesen sei. Mit stehenden Ovationen empfing ihn das Parlament am Mittwoch abend.

Um die Waffenruhe zu konsolidieren, will die Regierung so schnell wie möglich mit vorbereitenden Gesprächen für das geplante „Forum für Frieden und Versöhnung“ beginnen, das Ende Oktober arbeitsfähig sein soll. Mit dabei wird dann auch Sinn Féin sein, der politische Flügel der IRA – als Belohnung für den Waffenstillstand. Gleichzeitig bemüht man sich darum, im Ausland Gelder für Investitionen in Nordirland lockerzumachen, um durch wirtschaftlichen Aufschwung die Situation weiter zu entschärfen. Der irische Außenminister Dick Spring trifft deshalb heute mit US-Präsident Bill Clinton zusammen. Bei Bundeskanzler Helmut Kohl hat er sich ebenfalls schon angemeldet.

In den katholischen Vierteln Belfasts hat die Waffenruhe Euphorie ausgelöst. Kurz nach Inkrafttreten um Mitternacht versammelten sich Hunderte von Menschen auf den Straßen. Bereits am Nachmittag war Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams von einer begeisterten Menschenmenge gefeiert worden, Dutzende Autos fuhren – mit irischen Trikoloren geschmückt – hupend durch die Straßen West-Belfasts. Der Steinhagel, der von der protestantischen Seite über die Mauer zwischen katholischen und protestantischen Vierteln auf den Autokorso niederging, machte jedoch deutlich, wie schwer der Weg bis zu einer Lösung des Konflikts noch sein wird.

Im Gegensatz zu ihren irischen Kollegen reagierte die britische Regierung sehr zurückhaltend auf den Waffenstillstand. Premierminister John Major will unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, er mache mit der Dubliner Regierung oder gar Sinn Féin gemeinsame Sache. Schließlich ist er aufgrund der wackligen Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus auf die Stimmen der protestantischen Unionisten aus Nordirland angewiesen, wenn er sein umstrittenes Privatisierungsprogramm durchboxen will.

So forderte Major zunächst einmal „Nachbesserung“ von der IRA: Die Organisation soll versprechen, daß sie die Waffen für immer niedergelegt hat. Der Dubliner Journalist Dick Grogan bemerkte dazu: „Natürlich hätte die IRA mehr versprechen können, genauso wie sich manche Menschen ewige Liebe und Treue schwören.“ Aber, so fragte er, wäre ein solch absolutes Versprechen im Namen künftiger Generationen glaubwürdig?

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