■ Mit Fahrradherstellern auf du und du: Luft raus
Berlin (taz) – Wer ein neues Fahrrad kaufen will, sollte das jetzt tun, rät der Verband der Fahrrad- und Motorradindustrie. 1,2 Millionen Räder stapeln sich in den Lagern und drücken auf die Preise. Und die Händler drängt es, die alten Modelle los zu werden, denn gerade wurde auf der Fahrradmesse „Eurobike“ in Friedrichshafen schon die neuste Mountainbike- Generation vorgestellt.
Der Fahrradabsatz ist seit dem Vereinigungsboomjahr 1991 kräftig geschrumpft: von damals 6,3 Millionen auf geschätzte 4,7 Millionen in diesem Jahr. Das ist jedoch nicht der einzige Grund für die Krise der heimischen Fahrradindustrie. Denn während 1993 nur noch 3,8 Millionen Räder in Deutschland montiert wurden, acht Prozent weniger als im Jahr davor, konnten die Importeure ein 14prozentiges Wachstum auf 2,5 Millionen Stück verbuchen.
Groß ist daher das Gejammer in der deutschen Fahrradindustrie über die aus dem Ausland, vornehmlich Fernost, anrollenden Räder. Bei der EU konnten sie einen 34prozentigen Strafzoll gegen angeblich zu Dumpingpreisen vertriebene chinesische Fahrräder erwirken. Aber genutzt haben die Importlücke nur Hersteller aus Taiwan und Italien. Neuerdings drückt nun auch noch die Konkurrenz aus dem viel näheren Osten, den osteuropäischen Reformstaaten. Die deutschen Hersteller werden aber nicht den Markt gegen das gesamte Ausland abschotten können.
Etwas anderes haben sie der ausländischen Konkurrenz aber kaum entgegenzusetzen. Innovationen kommen aus den USA, technisch ausgefeilte Räder und Fahrradteile werden in Fernost, insbesondere Taiwan, in riesigen, hochmodernen Fabriken zusammengebaut. Die eher mittelständischen deutschen Hersteller lagen dagegen bis vor kurzem im Tiefschlaf.
Erfolg haben hier nur die Hersteller, die von der nach wie vor herrschenden Billigmarktphilosophie Abschied nahmen, wie die Kalkhoff Werke in Cloppenburg, als sie vom großen US-Hersteller Derby übernommen wurden. Die Traditionsfirma Fichtel & Sachs, der die Welt die Freilaufnabe mit Rücktrittbremse verdankt, ruhte sich derweil auf ihren Lorbeeren aus – bis der japanische Komponentenhersteller Shimano einen praktisch nicht mehr einzuholenden Vorsprung gewonnen hatte.
Jetzt bemüht sich Fichtel & Sachs, wieder Anschluß zu finden, etwa mit der Sieben-Gang- Nabenschaltung oder der Gangschaltung mit in den Lenker integrierten Drehgriff („Power Shift“). Auf der Friedrichshafener „Eurobike“, die gestern ihre Pforten schloß, beherrscht aber nach wie vor Shimano die Show. Schließlich war diese Messe eigens auf Betreiben der auf geschicktes Marketing bedachten Japaner eingerichtet worden, um dort High-Tech- Mountainbikes und den modernsten umsatzträchtigen Schnickschnack optimal zur Geltung zu bringen. Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen