Frischling in Pastell

■ Gelungene Auftaktpremiere im neuen Musical-Theater "Delphi"

Wer ahnungslos über die Eimsbüttler Chaussee flaniert, radelt oder rast, wird die Veränderung am Haus Nr. 5 womöglich gar nicht registrieren. Was früher schwarz war, ist jetzt weiß, wo einst Trinity nicht stand, prankt jetzt Delphi, der Name des inzwischen hier ansässigen Etablissements.

Hamburgs Frischling unter den Musicaltheatern gibt sich äußerlich bedeckt, entpuppte sich anläßlich der Premiere von Ein Käfig Voller Narren jedoch als Schmuckkästchen. Hardy Homann und Frank Gräsel, ebenso nervöse wie stolze Gastgeber, konnten ihre illustre Gästeschar ruhigen Gewissens hineinbitten. Wer aufgrund der schlüpfrigen Auftaktinszenierung einen Sündenpfuhl für homophile Hanseaten erwartet hatte, wurde ebenso enttäuscht, wie Anhänger plüschiger Wandteppich-Tempel. Pastellfarbenes, funktionell-elegantes Interieur dominiert (sieht man von den unzweckmäßigerweise eckigen Tischen in Parkett und Rang ab, die eher an ein Gartenlokal erinnern), für den Hauch Noblesse ist das (Premieren-)Publikum verantwortlich.

Dieses war sich – zumindest am Sonntag – dessen mehr als bewußt. Dabeisein war nicht alles, auch Tusche und Designer-Fummel durften das Ereignis gesellschaftlich aufwerten. Sogar tolldreiste Ausgelassenheit hatten die Herrschaften im Gepäck, Frank & Hardy bekamen's bei der Begrüßungsrede zu spüren – während des Vorwortes knallten bereits die Sektkorken. Auch die Schauspieler konnten sich auf die Begeisterungsfähigkeit der zuschauenden Darsteller verlassen, jede kleine Geste wurde – überwiegend berechtigterweise – frenetisch gefeiert.

Angesichts derartiger Unterstützung hatte es das Ensemble nicht schwer, zu großer Form aufzulaufen, die wenigen Auftaktfehler gingen im allgemeinen Jubel glatt unter. Überraschend war dies nicht, denn Homann/Gräsel hatten bewußt auf einen Klassiker gesetzt, der bei ordentlicher Produktion jedes Publikum mitreißen würde. Daß dem denn auch tatsächlich so war, ließ Hardy H. sichtbar manchen Stein von der Pumpe rumpeln.

Den größten Anteil daran hatte fraglos Rainer Luhn, dessen subtile Interpretation des gekränkten Transvestiten Albin ebenso gelang, wie die des feurig-femininen Cage Aux Folles-Stars Zsa Zsa. Ulrich Talle als dessen Arbeitgeber und Liebhaber Georges muß sich mit der unspektakuläreren Rolle begnügen, die er ebenso ausfüllt.

Die ,Kaschoovolls' sind hübsch anzusehen, haben auch freche Dinge drauf, ihre neckisch-schrägen Spielchen bereiten allerdings nicht gerade Magenschmerzen vor Lachen. Und Christopher von Beau als ,Zofe' Jacob heimst zwar die meisten Brüller ein, beschert den Geschmacks-nerven allerdings auch die abgedroschen-sten Kalauer.

Überhaupt nicht witzig dagegen Nana Gualdi, deren Kostüm irgendwie aussah, als hätte sie es vergessen, und stattdessen Privatgarderobe bevorzugt. Der kleine Wermutstropfen trübt nur den zweiten Teil, der – mehr Schauspiel als Musical – dem ersten ohnehin in Sachen Dynamik, Feuer und Witz etwas nachsteht. Dafür entschädigen originelle Einfälle, wie der dildoartige Flaschenkühler oder die Symphonie in ,gay-moll'. Insgesamt stellt das Delphi mehr als eine Bereicherung der hiesigen Musicalszene dar, übrigens für alle – Albins Spruch sollte frau nicht als Drohung verstehen: „Kommt die Frau, bist du tot“.

Andreas Dey