■ Der Verteidigungsausschuß befaßt sich mit dem Jäger 90: Alles zu spät
Es gibt Skandale, die sind wie schwärende Wunden: Kaum angetippt, brechen sie immer wieder auf. Eine dieser Endlosgeschichten hat den Titel Jäger 90, auch wenn das Produkt mittlerweile in Eurofighter 2000 umbenannt worden ist. Jeder weiß, daß der Jäger 90, das voraussichtlich teuerste Waffensystem, an dessen Entwicklung die Bundesrepublik jemals beteiligt war, militärisch überflüssig ist. Ebenso wissen alle auch nur mittelbar an dem Projekt Beteiligten, daß die bislang öffentlich genannten Kosten für das europäische Prestigeprojekt wesentlich zu niedrig sind und daß der Versuch Rühes, nachdem er den eigentlich beabsichtigten Ausstieg schon nicht bewerkstelligen konnte, wenigstens auf eine Billigversion umzuschalten, längst gescheitert ist.
Der Jäger ist eine der letzten Selbstbedienungsmöglichkeiten, die sich die europäische High-Tech- Rüstungsindustrie auf keinen Fall nehmen lassen will. Da das so ist, steigt der Preis für ein sowieso absurdes Projekt trotz aller politischen Anstrengungen Rühes in immer absurdere Höhen, und weil Rühe längst nichts mehr dagegen tun kann, will er es wenigstens vertuschen. Dies zu verhindern wäre eigentlich die Aufgabe der Opposition. Tatsächlich befaßte sich der Verteidigungsausschuß des Bundestages gestern aber nicht auf Betreiben der Opposition mit dem unsinnigsten Rüstungsprojekt der Militärgeschichte, sondern weil der Bundesrechnungshof mal wieder die Ausgaben für den Jäger moniert hatte. Obwohl Rühe sich bei der Befragung dummdreist herausredete – über Kosten könne er nichts sagen und für die Qualität des Fliegers sei nicht er, sondern Luftwaffeninspekteur Kuebart zuständig –, passierte politisch wieder einmal nichts.
Sechs Wochen vor einer entscheidenden Bundestagswahl bekommt die SPD ein Wahlkampfthema, versehen mit dem Prüfsiegel des Bundesrechnungshofs, auf dem silbernen Tablett serviert und wendet sich naserümpfend ab. Der verteidigungspolitische Sprecher der Partei, Wolfgang Kolbow, meldet zwar schwerste Versäumnisse der Hardthöhe an, für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß ist es ihm aber „noch zu früh“. Bei der SPD ist offenbar alles zu spät, kann man da nur noch mutmaßen. Seit der SPD- Ministerpräsident und Superschattenminister Gerhard Schröder entdeckt hat, daß ein Ausstieg aus der Jäger-Produktion eventuell auch Arbeitsplätze in Niedersachsen gefährden könnte, kann Rühe es sich sogar leisten, lobend auf die Verantwortungsbereitschaft der Opposition zu verweisen. Bei so guten News aus Bonn kann die Industrie gleich noch mal zehn Prozent draufschlagen. Jürgen Gottschlich
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