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Paragraph 218 zwischen den Stühlen

■ Nach Scheitern im Vermittlungsausschuß ist Abtreibungsgesetz bis nach der Wahl vertagt

Bonn (taz) – Es war also vergebliche Liebesmüh. Ausschußsitzungen, Anhörungen, Arbeitsgruppen – das monatelange Tauziehen um das neue Abtreibungsrecht war erst mal umsonst. Denn die Entscheidung des Vermittlungsausschusses, das Thema „Paragraph 218“ für diese Legislaturperiode ad acta zu legen, bedeutet: Nach der Bundestagswahl geht das ganze Prozedere des Gesetzgebungsprozesses wieder von vorne los. Denn mit dem Zusammentreten des neuen Bundestags nach der Wahl, unabhängig von den dann herrschenden Mehrheiten, „verfällt“ das Abtreibungsgesetz der Koalition, das Ende Mai im Bundestag mit nur vier Stimmen Mehrheit angenommen wurde. „Diskontinuitätsprinzip“ heißt das.

Und dabei war ein Kompromiß zwischen Koalition und SPD in den letzten Tagen so nah wie noch nie. Die Koalition hatte sich in entscheidenden Fragen wie der Finanzierung des Abbruchs und der Bestrafung des familiären Umfeldes auf die SPD zubewegt. Im derzeitigen Wahlkampf ist das natürlich opportun, zumal im Vermittlungsausschuß nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt ein Patt herrscht und schon deshalb die Union Zugeständnisse machen mußte.

Bis zuletzt wurde allerdings kein Kompromiß über den Charakter der Pflichtberatung erzielt. Die SPD bestand darauf, eine Formulierung aufzunehmen, wonach die Frau „Eigenverantwortung“ bei der Entscheidung trägt. Die Koalition wollte dagegen nur eine „Letztverantwortung“ der Frau betonen. Doch der Kompromiß scheiterte nicht nur an Differenzen zwischen Koalition und SPD, sondern offenbar auch an Streitigkeiten innerhalb der SPD. Die sozialdemokratische Verhandlungsführerin Inge Wettig-Danielmeier hatte sich in den zwei Wochen sehr kompromißbereit gegenüber der Koalition gezeigt – und stand damit mehr und mehr in ihrer Partei im Abseits. Kritik hagelte es vor allem aus dem Düsseldorfer Frauenministerium. Die nordrhein-westfälische Frauenministerin Ilse Ridder-Melchers, in den Verhandlungen federführend für die SPD-Länder, sah im Gegensatz zum pragmatischen Kurs von Wettig-Danielmeier „gravierende Differenzen“ bereits in technischen Einzelfragen, wie zum Beispiel bei der Abwicklung der Finanzierung.

Ridder-Melchers Stimme war denn auch zu vernehmen, als gestern wie zu erwarten die gegenseitigen Schuldzuweisungen einsetzten. Sie begrüßte das Scheitern im Vermittlungsausschuß. Ebenso SPD- Geschäftsführer Peter Struck: Bereits in der Nacht zum Mittwoch hatte Peter Struck in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender des Vermittlungsausschusses in Siegerpose das Scheitern des Koalitionsgesetzentwurfs kommentiert mit den Worten: „Das Gesetz ist weg.“ Auch Hanna Wolf, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, wertet die Entscheidung des Vermittlungsausschusses als Erfolg.

„Das Ergebnis jahrelanger Arbeit wurde an die Wand gefahren“, warf dagegen Uta Würfel von der FDP dem Vermittlungsausschuß sichtlich enttäuscht vor. Würfel war monatelang Verhandlungsführerin ihrer Fraktion in Sachen Neuregelung des Paragraphen 218. Das Scheitern des Abtreibungsrechts ist auch ihr persönliches: Im kommenden Bundestag wird Uta Würfel nicht mehr vertreten sein. Myriam Schönecker

Kommentar Seite 10

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