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The beat goes on Von Mathias Bröckers

Seit bei uns zu Hause am Samstagmittag wieder die Hitparade gehört und mitgeschnitten wird, bin ich popmäßig wieder halbwegs auf dem neuesten Stand. Daß ich selbst mit dem Tonbandgerät am Radio auf die neuesten Hits lauerte, ist 25 Jahre her – und siehe da, es hat sich kaum etwas getan. Natürlich hält heute niemand mehr ein Mikro vor den Lautsprecher um Radio Luxemburg mitzuschneiden – damals waren die Sender, die „Beatmusik“ spielten, so rar wie Kassettenrecorder oder Hi-Fi-Anlagen, und selbst eine krächzende Mittelwellen-Aufnahme war besser als gar nichts – heute ist die Auswahl von Musiksendern riesig, der Sound perfekt, und jedes Kind hat einen Kassettenrecorder. Nur die Hits sind die alten geblieben, und so staunen unsere juvenilen Bravo-Leser nicht schlecht, wenn die Eltern jeden zweiten Song in der Hitparade mitträllern können, lauter Remakes der ollen Klamotten: Joe Cocker knödelt „Summer In the City“ von Lovin' Spoonful, der alte Motown- Schluchzer „Without You“ seit Wochen ganz vorn, Peter Framptons „Baby I love Your Way“ kommt als Reggae frisch auf den Tisch, Cat Stevens' Ballade „Baby It's a Wild World“ ist wieder ein Hit, und selbst die gute alte „Troggs“-Schnulze „Love Is All Around“ ist wieder da. Aber was ist das? Hört sich an wie die Cover- Version von irgendeinem alten Stones-Hit und ist ... das neueste Original. „Love Is Strong“, die Urgesteine, seit 30 Jahren dabei, covern sich selbst, indem sie einfach so spielen wie früher – und dabei besser klingen denn je.

Die neue Musik altert längst nicht so schnell, wie der kulturindustrielle Verwertungsdruck und der Massenmarkt Pop vielleicht erwarten ließ. Keith Richards' Gitarren-Riffs werden wahrscheinlich auch noch im Jahr 3.000 die Ohren entzücken – die aktuelle generationsübergreifende Hitparade zeigt, wie die Tradition weitergegeben wird. Und wie explosive, kreative Phasen, wie es die Jahre '65 bis '75 für die Musik waren, noch jahrzehntelang aufgearbeitet werden. Michael Jackson bringt demnächst ein Album mit Beatles-Stücken heraus – für Puristen ein Greuel, aber durchaus konsequent. Zum einen hat er ohnehin schon die Verwertungsrechte am Werk von Lennon/McCartney gekauft, zum anderen aber muß doch irgendeiner die Komponisten des Jahrhunderts den lieben Kleinen nahebringen. Und da ist Jackson nicht der schlechteste. Nur einen Asteroiden offiziell „Zappafrank“ zu taufen, wie unlängst geschehen („John“, „Paul“, „George“ & „Ringo“ kurven als Sternzeichen ebenfalls schon durch die Galaxie), reicht nicht aus, the beat must go on.

„Ohne Rock 'n' Roll will selbst in Wladiwostok niemand mehr arbeiten“, sagt Wolfgang Neuss – Popmusik gibt den globalen Arbeitsrhythmus des Medienzeitalters vor, wie einst der stampfende Blues den Takt der Sklavenmaloche. Musikalisch hat insofern der „Neger“ also längst, und zwar weltweit, gesiegt ... Wenn Schwarze von deutschen Spitzenbeamtinnen nach wie vor für „weniger intelligent“ gehalten werden, zeigt das nur, daß in einigen Beamtenhirnen eben immer noch der dumpfe Kolonialgeist des 19. Jahrhunderts weht. Und nie eine Hitparade für kosmopolitischen Wind gesorgt hat: Nr. 1 in dieser Woche ist Youssou n'Dour aus dem Senegal.

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